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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 11/2024

Bereit zur Aufnahme der neuen Produktion
von Kathy Ziegler

Am 13.Oktober 2024 fand in Campi Bisenzio bei Florenz die erste Versammlung der Genossenschaft GKN For Future (GFF) statt; viele Arbeiter des Fabrikkollektivs Ex-GKN, das auch GFF-Gründer ist, Genossenschaftsmitglieder und Vertreter:innen verschiedener Gruppen wie Fridays for Future aus Florenz nahmen daran teil. Prominenter Gast war Greta Thunberg, die in ihrer Rede alle ermutigte, weiter an das ökosoziale Projekt der GFF zu glauben und dafür zu kämpfen.

Die Versammlung fand auf dem Parkplatz vor dem GKN-Fabrikgelände statt, wo die Arbeiter früher Autoteile für Fiat produzierten. Allen über 400 Arbeitern war damals, am 9.Juli 2021, über Nacht per Mail gekündigt worden.
Unter Pavillons, auf Plastikstühlen und Hockern aus umgebauten Hartplastiktransportkörben fanden rund 300 Personen Platz, direkt neben der Solaranlage vor dem Fabriktor, die im April notfallmäßig aus Deutschland hertransportiert wurden, damit das Literaturfestival stattfinden konnte. Gleich daneben wurden die aktuellen Lastenradmodelle aufgestellt.
Dario Salvetti begrüßte in seiner Rolle als GFF-Vorstandssprecher die Teilnehmenden und machte deutlich, dass trotz des um eine Stunde verzögerten Starts der Versammlung diese pünktlich beendet werden muss. Es war ihm wichtig, dass alle Anwesenden am Streik von Sin Cobas in Seano am frühen Abend teilnehmen konnten.
In dieser italienischen China Town schuften migrantische Arbeiter:innen für chinesische Subunternehmer, die bei italienischen Modefirmen unter Vertrag stehen. Einige Arbeiter hatten wenige Tage zuvor gestreikt, weil sie nicht mehr 12 Stunden pro Tag arbeiten wollen. Angeheuerte Schläger haben sie bedroht und verprügelt. Zu der Soli-Demo kamen neben dem Fabrikkollektiv der Gewerkschaftsbund CGIL, die PD (Partito Democratico) und andere Gruppen. Mehrere hundert Menschen demonstrierten zwischen den chinesischen Firmen und den Wohnblocks der Arbeiter:innen für ihr Recht auf Streik.

Der Stand der Dinge
Ziel der Versammlung war, die Mitglieder über den aktuellen Stand der Inbetriebnahme des ehemaligen GKN-Werks durch GFF und die Summe der gezeichneten Anteile zu informieren, den Industrieplan vorzustellen und weitere Schritte zu beschließen.
In dem Werk sollen künftig Lastenräder und Fotovoltaikmodule statt Autoteile hergestellt werden, die Arbeit wird demokratisiert, die Produktion soll ökologisch-nachhaltigen Zielen folgen und insgesamt durch ihre gemeinwohlorientierte Ausrichtung positive Effekte für die Region haben.
Die Arbeiter:innen des Fabrikkollektivs halten zwei Drittel der Stimmenanteile in der Genossenschaft. Dario Salvetti sprach von einer äußerst schwierigen Phase, da noch rund 140 Arbeiter:innen im Unternehmen von Werksinhaber Francesco Borgomeo beschäftigt sind. Nach mehr als drei Jahren sind sie finanziell, physisch und mental an ihre Grenzen gelangt. Der Industrieplan ist jetzt ausgereift, Kapital ausreichend vorhanden. Allein im Monat September wurden insgesamt für rund 500.000 Euro Anteile gezeichnet oder gespendet, davon allein 330.000 Euro aus dem deutschsprachigen Raum.

Die Entscheidung drängt
Um nun den Business Plan umsetzen zu können, braucht GFF das Fabrikgelände als Produktionsstätte. Dabei handelt es sich um rund 8000 Quadratmeter Fläche. Nach wie vor will der Eigentümer Francesco Borgomeo nicht an GFF verkaufen. Deshalb hat GFF bereits im Mai 2024 auf Grundlage des Artikels 36 Gesetz Nr.317 aus dem Jahr 1991 den Fraktionen des Regionalparlaments in Florenz einen Gesetzentwurf vorgeschlagen. Er ermöglicht die Einrichtung eines regionalen Industriekonsortiums, das die Inbetriebnahme von kleinen und mittleren Unternehmen mit nachhaltigem Charakter fördern und begleiten soll.
Dabei wären auch öffentliche Einrichtungen wie Gemeinden, Forschungsinstitute, Vereine, private Start-ups und Unternehmen beteiligt. Das Ziel: Bedingungen für produktive Tätigkeiten in der nachhaltigen Mobilität und erneuerbaren Energien zu schaffen, Umschulungs- und Ausbildungsprogramme zu fördern und eine Synergie zwischen öffentlicher Hand, Umwelt und Industrie herzustellen.
Leider vertagen die Fraktionen im Regionalparlament immer wieder die Entscheidung. Zuletzt hieß es Ende September, jetzt wurde GFF auf Ende des Jahres vertröstet. Dieses Hinauszögern zermürbt die Mitglieder von GFF. Sie haben keine Arbeit, kein Einkommen und müssen täglich die permanente Betriebsversammlung aufrechterhalten – Tag und Nacht –, um nicht ihr Faustpfand in den Verhandlungen mit dem Eigentümer, die Fabrik, zu verlieren. Deshalb wollen sie nun bis zum 15.November eine letzte Frist setzen, in der erkennbare und konkrete Schritte erfolgen sollen. Nach dieser Frist soll am 17.November eine ordentliche Genossenschaftsversammlung stattfinden, bei der die Entscheidung darüber gefällt wird, ob das Projekt weiterverfolgt werden kann und die Mitglieder die entsprechenden Summen einzahlen, oder ob es aufgegeben werden muss.
Das GFF-Präsidium hat sich auf der Versammlung von allen Stimmberechtigten dieses Vorgehen bestätigen lassen. Es wurde eine Resolution vorgelesen und schriftlich ausgeteilt, in der das weitere Vorgehen beschrieben ist. Gleich im ersten Absatz heißt es: Wenn die Institutionen bis zum 15.November nicht die notwendigen Schritte eingeleitet haben, um GFF das Fabrikgelände zu übergeben, wird die Genossenschaft das gesamte Konversionsprojekt aufgeben.
Die Versammlung stimmte dem vorgestellten Geschäftsplan zu, alle Mitglieder erklärten sich bereit, das Projekt weiterhin tatkräftig zu unterstützen und ernannten ein Re-Industrialisierungsteam, das sich bei allen Institutionen für das Projekt einsetzen wird. Sie beauftragten zudem ein Fachgremium, das in Verhandlungen mit dem Werkeigentümer tritt. Sollte all dies bis zum 15.November keinen Erfolg haben, können noch einmal alle Mitglieder ihre Bereitschaft zur Beteiligung an der GFF überdenken. Am 17. November findet dann die ordentliche Genossenschaftsversammlung statt, bei der die Entscheidung über die Zukunft des Projekts gefällt wird. Alle Mitglieder sollen an diesem Termin möglichst teilnehmen – und bis dahin weiter dafür kämpfen.
Greta Thunberg hat den GFF-Mitglieder den Rücken gestärkt: »Wir alle wissen, dass dieser Kampf bedeutet, gegen dasselbe zerstörerische System zu kämpfen, das unseren Planeten und die Umwelt zerstört und den Wert des Menschen unter den wirtschaftlichen Profit stellt. Dasselbe System, das den Planeten und unsere natürlichen Ressourcen ausbeutet, beutet auch die Menschen aus, insbesondere die am stärksten marginalisierten Gruppen und Arbeiter. Deshalb müssen wir zusammenstehen, denn nur so werden wir in der Lage sein, dieses faschistische kapitalistische System, das nicht zu unseren Gunsten arbeitet, zu besiegen. Die globale Bewegung für Klimagerechtigkeit steht an Ihrer Seite und Sie haben unsere Solidarität.«

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