Trump ist kein Friedensengel
von Angela Klein
Die Ankündigung des US-Vizepräsidenten JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz (SiKo), alsbald in Verhandlungen mit Russland über die (vorläufige?!?) Beendigung des Ukrainekriegs zu treten, straft die Behauptung Lüge, die vor allem die europäischen Regierungen seit Beginn dieses Krieges wider besseres Wissen wie ein Mantra wiederholen: dass Verhandlungen mit Putin nicht möglich sind, weil dieser sie nicht will. Nun hat Putin aber sofort darin eingewilligt.
Der Unterschied zu vorher ist, dass die US-Regierung jetzt will – bisher wollte sie nicht, und die europäischen Regierung wollen immer noch nicht. Damit hat sich auch die zweite unwahre Behauptung erledigt: Putin wolle – möglicherweise schon im nächsten Jahr! – gegen Polen und die baltischen Staaten vorgehen, ja, sogar den Balkan habe er im Visier. Selenskyj hat dieses Szenario auf der SiKo noch einmal wiederholt und ergänzt, ein Waffenstillstand würde Putins Kräfte nicht länger in der Ukraine binden, er habe dann freie Hand gegen Europa. Ohne diese Behauptung und Bevölkerungen, die ihr glauben, wäre der Kriegskurs, den die europäischen Regierungen mit wenigen Ausnahmen eingeschlagen haben, nicht möglich.
Das Argument stützt sich darauf, Russland würde stark aufrüsten. Und, tun wir das nicht auch gerade? Die 2 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt sind erreicht, längst ist eine Zielmarke von 3 Prozent im Gespräch. Und es wird unterschlagen, dass allein Deutschland und Frankreich mit zusammen einer etwa gleich großen Bevölkerung 2024
40 Prozent mehr fürs Militär ausgegeben haben als Russland (151 Millionen Menschen / 150 Mrd. Euro gegen 145 Millionen Menschen / 109 Milliarden US-Dollar).
Trump fordert sogar 5 Prozent! Wie passt das zu seinem Image als Friedensengel? Nun, die meisten Waffen kauft Europa derzeit in den USA. Diese Waffenkäufe drastisch zu steigern, ist für die US-Wirtschaft ein willkommenes Konjunkturpaket.
Trumps Ukraine-Deal hat wenig mit Friedfertigkeit zu tun. Er braucht sein Geld nur viel dringender an anderer Stelle. Wie letzten Endes der Deal aussehen wird, kann niemand sagen. Was man kennt, sind einige Grundvoraussetzungen dafür, wie Amerika nach Trumps Vorstellung wieder groß werden kann:
1) billige Energie in rauen Mengen; denn er will
2) China dadurch aus dem Feld schlagen, dass Unsummen in den Aufbau einer US-amerikanischen KI gesteckt werden, mit deren Hilfe die USA die ganze Welt nicht nur ökonomisch, sondern auch technisch kontrollieren können (die ökonomische Kontrolle klappt immer weniger); diese Industrie verschlingt unvorstellbare Energiemengen;
3) er will Amerika militärisch unangreifbar machen, indem er den Kontinent mit einem Iron Dome nach israelischem Vorbild überwölbt – dabei helfen ihm die Weltraumunternehmen von Elon Musk. Gleichzeitig – und das ist kein Widerspruch! – hat er angekündigt, er wolle mit China und Russland Abkommen über atomare Abrüstung vereinbaren. Sie sollen die USA nicht angreifen können, die USA aber sollen unter einem weltraumgestützten Schutzschild stehen. Star Wars wird Realität.
So willkommen einzelne Schritte in diesem Plan sein mögen, wenn man sie isoliert betrachtet – zusammengenommen ist das der Traum von der Unverwundbarkeit – und für uns ein Albtraum.
Achilles hatte sein Ferse, Siegfried sein Lindenblatt zwischen den Schultern. Was wird die verwundbare Stelle von Trump sein?
Das Angebot an die Ukraine
Einfach nur frech
Zwei Tage vor der Münchener Sicherheitskonferenz hat Trump durch Finanzminister Scott Bessent Selenskyj ein Schreiben überbringen lassen, in dem er ihm einen Deal vorschlug: Die Ukraine soll ihm die Hälfte seiner natürlichen Ressourcen an Lithium und anderen seltenen Erden überlassen, Trump beziffert sie auf den Wert von einer halben Billion Dollar.
Gegenleistung? Keine. Das sei der Gegenwert der bislang von den USA geleisteten Militär- und Finanzhilfe. Diese war bislang kostenlos gewährt worden – im Gegensatz zur EU, die dem Land Kredite zur Verfügung stellt, für die es saftige Zinsen zu zahlen hat.
Wie die Financial Times schreibt, hat Trump verlangt, dass Selenskyj den Deal in Anwesenheit von Bessent sofort unterschreibt. Deutlicher kann man es nicht ausdrücken, dass hier der Herrscher der Welt spricht, dem alles gehört und dem sich alle zu unterwerfen haben.
Selenskyi fordert als Gegenleistung eine amerikanische Sicherheitsgarantie für den Fall, dass Trump einen Deal mit Putin abschließt – etwa in Form von in der Ukraine stationierten US-Truppen oder NATO-Truppen. Im Dokument ist davon aber keine Rede. Es heißt nur, die Präsenz der USA auf ukrainischem Boden würde für »alle Ukrainer langfristig einen Schutzschild bieten« und »die beiden Wirtschaften enger miteinander verflechten«. Die amerikanische Präsenz zur Überwachung der Ausbeutung der Rohstoffvorkommen wäre »ausreichend, um Moskau abzuschrecken«.
Der Gerichtsstand für eventuelle Konflikte im Zusammenhang mit der Ausbeutung der Rohstoffe soll New York sein.
Selenskyj hat den Deal nicht unterschrieben, er will, dass die Europäer mit von der Partie sind. In München erklärte er, der Deal sei »nicht im Interesse einer souveränen Ukraine«. Wie die Financial Times berichtete, würde die ukrainische Regierung aber den Tausch »Rohstoffe gegen Sicherheit« unterstützen.
Wo sind die Kräfte, die sich dem entgegenstellen?
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