Hafenarbeiter blockieren Waffen für Israel
von Hermann Dierkes
Der Schwedische Hafenarbeiterverband (Svenska Hamnarbetarförbundet) hat im Dezember per Mitgliederentscheid beschlossen, Waffen- und Munitionslieferungen für und aus Israel zu boykottieren, da diese für den Völkermord an den Palästinensern eingesetzt werden können bzw. diesen unterstützen.
Die Aktion im Bereich der größten skandinavischen Hafengesellschaft GRT (Gothenburg RoRo Terminals) war für sechs Tage angesetzt. Noch vor dem Boykott landete der Fall vor dem Arbeitsgericht. Die GRT-Geschäftsführung machte geltend, dass die Aktion gegen die »Nationale Sicherheit« und das Sicherheitsgesetz verstoße. Als das Arbeitsgericht Aufklärung darüber verlangte, wie lange die Boykottaktion andauern soll und welche Auswirkungen sie habe, erklärte der Hafenarbeiterverband, dass es sich um eine symbolische Aktion handele, die vom 4. bis 10.Februar dauern solle und Rüstungsmaterial für Israel oder aus Israel betreffe. Weitere Umschlagsgüter seien nicht berührt.
Das Arbeitsgericht erklärte die Aktion für berechtigt und wies den angeblichen Verstoß gegen die nationale Sicherheit zurück. Die GRT-Geschäftsführung ließ trotzdem nicht locker und hatte es auf einmal ganz eilig. Noch am darauffolgenden Sonntagabend wurde dem stellvertretenden Vorsitzenden der Hafenarbeitergewerkschaft, Erik Helgeson, während seiner Schicht gekündigt. Der Firmenausweis wurde ihm abgenommen, er wurde mit Zutrittsverbot belegt und obendrein bei der Polizei angezeigt. Die Kündigung führte genau dieselben Gründe auf, die das Arbeitsgericht gerade zurückgewiesen hatte.
Der Kündigungsgrund ist, so Lars Henriksson, ehemaliger Gewerkschaftsaktivist bei Volvo, »der phantasievollste in der Geschichte arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen« in Schweden. Der Gewerkschafter sei eine »Gefahr für die Sicherheit Schwedens«, er habe »gegen das Sicherheitsgesetz verstoßen, sei vertragsbrüchig und habe sich illoyal gegen das Sicherheitsgesetz verhalten«.
Schon am folgenden Dienstag wies die Polizei die Anzeige zurück. Auch die Justizkanzlei lehnte es ab, gegen Helgeson wegen eines Zeitungsinterviews vorzugehen und verwies auf die Meinungsfreiheit. Lars Henriksson weiter: Die Anzeige stelle im Grunde einen weiteren Rechtsbruch dar, da sie ohne stichhaltigen Grund erfolgte. Es könnte sich um üble Nachrede handeln, die laut Strafgesetzbuch mit Bußgeld oder sogar Gefängnis geahndet werden kann, weil das Arbeitsgericht ja einhellig die Gründe von GRT zurückgewiesen hatte.
Für Erik Helgeson ist die Kuh allerdings noch nicht vom Eis. GRT könnte eine Lücke im schwedischen Arbeitsrecht ausnutzen, um ihn loszuwerden. Wenn nämlich eine Kündigung arbeitsgerichtlich zurückgewiesen wird, wäre es zulässig, diese trotzdem gegen eine Abfindung von mehreren Monatsentgelten auszusprechen. Diese Verschlechterung im Kündigungsschutz wurde noch unter der früheren Koalitionsregierung von Sozialdemokraten und Grünen durchgezogen. Am 11.Februar hat Kollege Helgeson GRT wegen falscher Beschuldigung und Verleumdung angezeigt.
Prinzipielle Bedeutung
Der Konflikt hat in mehrfacher Hinsicht prinzipielle politische und gewerkschaftliche Bedeutung – über Schweden hinaus. Zum einen zeigt er ein weiteres Mal, dass sich auch die Gewerkschaftsbewegung solidarisch mit Palästina zeigen und gegen Völkermord engagieren kann und nicht auf Tauchstation gehen muss wie der schwedische – sozialdemokratisch geführte – Dachverband LO oder bei uns der DGB. Dies, obwohl der Haager Internationale Gerichtshof in einem ersten Schritt Israel des Völkermords für verdächtig hält und Premierminister Netanyahu vom Internationalen Strafgerichtshof wegen seiner Kriegsverbrechen per Haftbefehl gesucht wird.
Das Schweigen der DGB-Gewerkschaften, vor allem von IG Metall und Ver.di, ist demgegenüber geradezu ohrenbetäubend und schändlich – keine einzige Maßnahme, nicht ein einziger Artikel zu dem Thema seit anderthalb Jahren. Nach unseren Informationen wurden sogar zahlreiche kritische Leserbriefe einfach nicht veröffentlicht oder beantwortet. Die wachsende Repression gegen die Palästinasolidarität und die politische Verrohung und Entdemokratisierung müssen allgemein zurückgeschlagen werden.
Der schwedische Hafenarbeiterverband ist seit langem für seine kämpferische Haltung und demokratische Verfasstheit bekannt. Er steht außerhalb des Gesamtverbands LO. »Hamn«, wie er in netter Abkürzung genannt wird, ist seit 2019 als Tarifvertragspartei anerkannt, nach fast einem halben Jahrhundert teils heftiger Auseinandersetzungen. Hamn war auch immer solidarisch mit Kämpfen in anderen Branchen. Er war z.B. einer der ersten, der dem Aufruf der Metallgewerkschaft IFM zur Bestreikung von Tesla Schweden gefolgt ist, um einen Tarifvertrag durchzusetzen. Der Verband verlädt seit 2023 keine Tesla-Autos mehr.
Sollte GRT bei der Kündigung bleiben, kommt es jetzt nicht nur auf die Belegschaft an, den Rausschmiss eines kämpferischen Kollegen zu verhindern, sondern auch auf Einzelgewerkschaften und auf den Dachverband LO. Alte Differenzen dürfen jetzt nicht dazu führen, die Hände in den Schoß zu legen. Mit dem Hafenarbeiterverband und Erik Helgeson haben sich inzwischen über 122 Organisationen und Initiativen, vor allem aus der Palästinabewegung solidarisiert.
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