Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Arbeitswelt 1. April 2025

Gute Mine zum bösen Spiel
von Angela Klein

Hunderttausend sollten es mindestens werden.
Nach IGM-Angaben sollen es dann 81.000 gewesen sein, andere hielten knapp 70.000 für realistischer. Viel zu wenig für die einst so mächtige Industriegewerkschaft: Allein in der krisengeschüttelten Auto- und Zulieferindustrie arbeiten 760.000 Kolleginnen und Kollegen.

In der Branche, die zusammen mit der chemischen Industrie das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ausmacht, stehen hunderttausende Arbeitsplätze auf dem Spiel – durch Massenentlassungen, Werksschließungen, Produktionsverlagerungen. Lässt man der Entwicklung freien Lauf, ist der Industriestandort Deutschland am Ende nur noch ein Schatten seiner selbst.
Und das bei einer traumhaften Gewinnlage der beteiligten Konzerne.
Die Stimmung am15. März befremdete angesichts der bedrohlichen Lage: Die Organisatoren auf den Bühnen an den fünf Kundgebungsorten taten alles, um gute Laune zu verbreiten, feierten die Teilnehmerzahlen und sich selbst, begrüßten das 800 Milliarden schwere Sondervermögen Infrastruktur als Heilsbringer und schwenkten drohend die Fäuste gegen die Konzernleitungen, die sich gerade erst leichtfüßig über die Verträge mit der IG Metall hinweggesetzt haben. Anstelle einer eigenständigen gewerkschaftlichen Aktionsperspektive gegen die Zumutungen der Konzerne, anstelle eines Mobilisierungsplans, der die gesamte Industrie umfasst und die Zukunft der Mobilität in Deutschland und Europa und ihres industriellen Unterbaus zum gesellschaftlichen Thema macht, ging der Blick in Richtung Merz und neue Bundesregierung.
Sie soll es angeblich richten, doch sie sitzt im Boot mit den Bossen.
Interessant war, wer nicht da war: In Köln will Ford 2900 Arbeitsplätze abbauen; den Beschäftigungssicherungsvertrag bis 2032 will die Geschäftsleitung umgehen, indem sie Insolvenz anmeldet; im Hintergrund werden Gespräche mit Rheinmetall über den Umbau zu einer Rüstungsfabrik geführt. Auf der Kundgebung waren Kleinbetriebe aus dem Umland, von Ford war wenig zu sehen. Viele sind offensichtlich zu Hause geblieben, jenseits der Rüstung als neuer Profitquelle hat die Gewerkschaft nicht viel zu bieten. In Gesprächen auf der Kundgebung wurde 1:1 die Propaganda wiederholt, warum der Russe uns angreifen will und wir den Krieg in der Ukraine deshalb bis zum Ende führen müssen. Da ist das Gift schon sehr tief in die Gehirne eingedrungen.
Die dort verteilte Aktionszeitung für eine Verkehrsindustrie mit Zukunft stellte sich dieser Stimmung mit Zahlen, Fakten, Argumenten entgegen und spaltete: Viele reagierten abweisend, einige waren jedoch froh über den Widerspruch zur IGM-Linie. Die Verkehrswende wird ein verdammt hartes Stück Arbeit.

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