Die Tesla-Files – ein Buch über Elon Musk
Interview mit Sönke Iwersen und Michael Verfürden
Sönke Iwersen und Michael Verfürden, zwei Investigativjournalisten, die für das Handelsblatt arbeiten, haben hinter die Fassade der Tesla-Gigacity geschaut und dabei Verstörendes entdeckt. Die freie Autorin Lena Reich hat ein Interview geführt, das der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurde*. Wir bringen Auszüge daraus.
Wieso hat sich der Tech-Milliardär dazu entschlossen, den Wahlkampf von Donald Trump zu unterstützen?
Verfürden: Musk hat Trump mit 250 Millionen US-Dollar unterstützt, weil sich die Schlinge um seinen Hals enger gezogen hat. Im Oktober hat er in einem Interview mit dem US-Journalisten Tucker Carlson gesagt, wie schlimm es für ihn wäre, sollte Kamala Harris die Präsidentschaftswahlen gewinnen. Musk sagte, er sei am Ende, wenn Donald Trump verliert. In seinen Worten: »If he loses, I’m fucked.«
Seit dem Amtsantritt von Trump hat Musk dann mit seinem Doge-Team alles dafür getan, dass seine Feinde verschwinden. Das waren in erster Linie Beamte, die verschiedene Ermittlungen gegen ihn und seine Unternehmen führten: wegen Zweifel am Autopiloten, wegen des Verdachts auf Kursmanipulation, wegen Untätigkeit bei der Kontrolle von Hatespeech. Lina Kahn, die Chefin der US-Verbraucherschutzbehörde, ist zurückgetreten. Auch Gary Gensler, der Chef der US-Börsenaufsicht, ist nicht mehr im Amt.
Ihr 14köpfiges Rechercheteam ist bei der Auswertung der Daten auf Probleme beim autonomen Fahren gestoßen. Wie sind Sie an die Daten gekommen?
Iwersen: Der ehemalige polnische Tesla-Mitarbeiter Lukasz Krupski hat mich im November 2022 aus heiterem Himmel angerufen und mir erzählt, dass in dem Unternehmen sensible Daten einfach ungeschützt im Intranet rumliegen. Das konnte ich anfangs gar nicht glauben, aber nach einer Weile hatte ich über 100 Gigabyte. Privatadressen und Gehälter von 100000 Mitarbeitern. Geheime Entwicklungsprojekte. Verträge. Tausende von Kundenbeschwerden zum Autopiloten.
Was haben Sie mit den Daten gemacht?
Iwersen: Wir haben Monate damit zugebracht, die Daten zu überprüfen. Am Ende hat Teslas eigene Rechtsabteilung bestätigt, dass sie echt sind. Wir sollten die Daten zurückschicken, bei uns löschen und Tesla dann die Löschung bestätigen. Außerdem schrieb uns der Anwalt, wir dürften die Daten nicht verwenden. Wir sind allerdings zu einer anderen Rechtsauffassung gekommen und haben gedruckt – erst einen Artikel und seither viele Dutzend mehr. Und wir haben nie wieder etwas von Teslas Anwälten gehört.
Was hat Sie am meisten überrascht?
Verfürden: Mich hat es überrascht, dass Musks System seit so langer Zeit funktioniert. Für ihn arbeiten weltweit über 100.000 Menschen, aber für Außenstehende ist Tesla eine Blackbox. Die Gewerkschaften können schwer Fuß fassen. Die Medien haben keinerlei Kontakte in die Werke, was völlig ungewöhnlich ist bei einem Unternehmen dieser Größe und Relevanz. Dass allgemein so wenig nach draußen ging, das ist wirklich total irre.
Iwersen: Mir war nicht klar, seit wie vielen Jahren Musk schon verspricht, dass man in einen Tesla einsteigen kann, sich auf die Rückbank legt und das Auto einen dann im Schlaf von A nach B fährt. Das geht schon zehn Jahre so. Wenn Leute Fragen stellen, warum es denn so lang dauert, gibt Musk einfach das nächste große Versprechen ab. Und alle glauben ihm. Er ist wirklich ein sehr guter Verkäufer.
Musk gilt als Genie, als Revolutionär, als Arbeitstier. Er selbst nennt sich Weltverbesserer. Was ist das für eine Faszination, die von Elon Musk also ausgeht?
Iwersen: Musk hat alles neu erfunden. Seine Autos sind keine Autos, sondern Computer auf Rädern. Als Kind hat er viel gelesen, besitzt große mathematische Fähigkeiten, hat seine eigenen Computerspiele programmiert und viele seiner Ideen entstammen der Science Fiction. In Interviews kommt er immer wieder auf Isaac Asimov zu sprechen. Aus seiner Feder stammt Foundation, I-Robot.
Musk hat die Bücher verschlungen. Auch Comics über Superhelden. Das betont er immer wieder. Jeder kann sehen, dass er sich irgendwie auch selbst für einen Superhelden hält. Er will, wie Spiderman und Thor, die Welt verbessern. Er braucht aber keinen Spinnenbiss oder einen Hammer. Er ist sehr intelligent und er hat sehr viel Geld. Er ist Ironman. Er nimmt die Sachen selber in die Hand und rettet die Welt. Und wenn der Superschurke nicht von der NATO oder von den US-Streitkräften gebändigt werden kann, dann klärt er das mit seiner Roboterflotte.
Elon Musk schaltet seine Satelliten an, damit die ukrainische Armee wieder sehen kann. Weil das eben niemand anders kann. Von dieser Macht sind sehr viele Menschen angezogen, die ihn dafür bewundern. Darunter sind auch viele der Menschen, die für ihn arbeiten.
Auch der Whistleblower Lukasz Krupski hat uns gesagt, er sei anfangs nicht einfach Mitarbeiter von Musk gewesen, sondern sein Jünger. Das gilt auch für Menschen in seinen anderen Unternehmen. Mit SpaceX will Musk den Weltraum erobern. Mit Neuralink will er Chips in unsere Gehirne einpflanzen, damit wir in Zukunft mit der Künstlichen Intelligenz mithalten können. Wenn man für Musk arbeitet, ist man nicht einfach bei ihm angestellt. Man ist Teil seiner Mission.
Es ist erstaunlich, wie viel Macht Musk über jeden einzelnen seiner Mitarbeiter hat. Wie genau ist das System Tesla aufgebaut
Verfürden: Es gibt zwei Säulen in diesem System: Loyalität und Angst. Viele Mitarbeiter haben bei Tesla angefangen, weil sie Fans von Elon Musk oder der Technik sind. Sie wollen Teil der Mission sein und bekommen ständig eingebläut, dass alle um sie herum böse Absichten haben. Die Ölkonzerne. Die etablierten Autokonzerne. Die Medien. Die Politik. So entsteht eine Wagenburg – und in dieser Wagenburg eine ungeheure Loyalität.
Das andere Führungsprinzip: Angst. Fast alle, die dort arbeiten, haben uns gesagt: »Du musst wahnsinnig gut aufpassen, was du im Werk sagst. Alles kann gegen dich verwendet werden.« Wir wissen, dass Tesla Zehntausende von Lizenzen Code 42 erworben hat. Eine Spionagesoftware zum Schutz gegen die eigenen Mitarbeiter. Das legt einen Überwachungsstaat nahe. Und trotzdem ist es uns inzwischen gelungen, das Vertrauen der Leute zu gewinnen.
Im Tesla Security Team in den USA arbeiten ehemalige CIA- und FBI-Leute. Gibt es etwas Vergleichbares auch in Deutschland?
Verfürden: Ja. Tesla sucht gezielt ehemalige Polizisten, Soldaten und Geheimdienstler. In einer Stellenbeschreibung stand sogar, dass die Bewerber nicht nur innerhalb der Werkmauern Informationen sammeln sollten, sondern auch außerhalb.
Erinnert Sie das auch an totalitäre Systeme?
Verfürden: Es gibt jedenfalls Mitarbeiter, die von einer Diktatur, von Big-Brother-Tesla oder einer Art Sekte sprechen. Angestellte bekommen indoktriniert, sie sollten Elons DNA annehmen und müssten mehr so werden wie ihr Chef. Gleichzeitig leben sie in ständiger Angst, dass ihre Projekte scheitern könnten, weil Musk ihnen dazwischenfunkt.
Sönke Iwersen, Michael Verfürden: Die Tesla-Files. Enthüllungen aus dem Reich von Elon Musk. München: C.H.Beck, 2025.
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen
Spenden
Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF
Schnupperausgabe
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.
Kommentare als RSS Feed abonnieren