Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Buch 1. Mai 2025

Die Kritik an der autoritären Demokratie bleibt im Persönlichen stecken
von Peter Nowak

Georg Seeßlen: Trump & Co. Der un/aufhaltsame Weg des Westens in die Anti-Demokratie. Berlin: Bertz und Fischer, 2025. 235 S., 18 Euro.

Regelmäßigen Zeitungsleser:innen ist Georg Seeßlen wegen seiner kulturkritischen Texte bekannt. Er publiziert regelmäßig in Konkret, Taz, Jungle World, Frankfurter Rundschau und anderen Medien. Der Aufstieg des Trumpismus ist seit Jahren Gegenstand seiner Artikel. So ist es nicht verwunderlich, dass er kurz nach Trumps zweiter Amtseinführung ein Buch mit dem Titel Trump & Co vorlegt.
Auch dieses Buch profitiert von Seeßlens großen Wissen im Bereich der Kulturindustrie. Häufig vergleicht er aktuelle politische Ereignisse mit Szenen aus bekannten Filmen oder Romanen. So sieht er Trump »in der Tradition einer sehr populären Figur, der des schwerreichen Superschurken, der gar nicht anders kann als nach der Weltherrschaft zu streben«.
Sofort hat Seeßlen den passenden Filmverweis parat. »Schon vom Äußeren her scheint die nächste Verwandtschaft der Goldfinger im James-Bond-Kosmos. Ein massiger Mann, der nie verlieren kann, nicht beim Golfen und nicht mal beim Kartenspiel am Hotelpool, und der mit seinem Goldschmuggel und -raub das internationale Währungssystem ins Chaos stürzen will.« Kurz danach zitiert Seeßlen dann die Filme Citizen Kane und There will be blood.
Trump wird denn in dem Buch auch mal als Horrorclown, mal als Trickster oder wütender Idiot bezeichnet. Es erstaunt nicht, dass Seeßlen viele Leser:innen im linksliberalen Milieu hat. Schließlich schreibt er gegen die an, die auch als die Bösen gelten: Trump, Orbán, Berlusconi, Putin, Erdogan. Bei ihm kommen dann noch Ex-Kanzler Gerhard Schröder, Reagan und Thatcher dazu.

Enttäuschend
Schon der Untertitel macht deutlich, worum es Seeßlen geht: »Der un/aufhaltsame Weg des Westens in die Anti-Demokratie«. Da hätte man sich schon mehr Ideologiekritik gewünscht. War nicht die sogenannte westliche Demokratie schon im Kalten Krieg ein Schlagwort, mit dem Diktatoren in aller Welt unterstützt wurden, wenn sie nur klar antikommunistisch waren? Welche Demokratie ist es also, die Trump und Co. heute gefährden?
Seeßlen nennt Trump gleich mehrmals einen verurteilten Kriminellen, der nun zum zweiten Mal das Präsidentenamt in den USA inne hat. Da hat er sicher recht. Doch es fehlt der Hinweis, dass zahlreiche von Trumps Vorgängern demokratisch gewählte Präsidenten haben stürzen lassen und Kriege mit Millionen Toten zu verantworten haben, ohne je angeklagt zu werden. Richard Nixon und Georg Bush sind nur zwei von vielen.
Nicht nur hier bleibt Seeßlen analytisch schwach. Es lassen sich mühelos zahlreiche weitere Beispiele finden, wo er nicht über eine linksliberale Kulturkritik hinauskommt. So wird das durchaus gut geschriebene Buch stellenweise redundant.
Was ganz fehlt, ist Kapitalismuskritik. Dabei kommt Seeßlen an vielen Stellen dicht dran, um dann kurz vorher wieder in Richtung Kulturkritik abzubiegen. So ist es durchaus ein interessantes Ansatz, auch eine Margaret Thatcher, einen Ronald Reagan und sogar einen Gerhard Schröder unter Trump und Co. zu subsumieren. Das Kapitel fängt auch vielversprechend an: »In den 1970er Jahren begann ein großer Umbauprozess innerhalb der politischen Ökonomie des Westens. Der sog. Neoliberalismus verband sich von Anfang an mit konservativer, hier und da auch mit antidemokratischer Politik (in Chile auch mit einer Militärdiktatur).«
Hier könnte man noch ergänzen, dass Thatcher eine enge Freundin des chilenischen Militärdiktators Pinochet war und beide sich gerühmt haben, in ihren Ländern den Vormarsch des Sozialismus gestoppt zu haben. Doch erwartet man nach diesem Einstieg, dass Seeßlen herausarbeitet, wie Thatcher, Reagan und auch Schröder kapitalistische Interessen durchgesetzt haben. Das tun heute auch Trump, Erdo?an und Putin. Doch wie sich die Durchsetzung der kapitalistischen Interessen verändert hat und was das mit den Entwicklungen im kapitalistischen Akkumulationsregime zu tun hat, wäre ein lohnender Untersuchungsgegenstand gewesen.
Nichts davon findet man bei Seeßlen. Stattdessen landet er wieder bei der Kulturpolitik, indem er konstatiert: Reagan, Thatcher und Schröder waren insofern Vorläufer der neuen Volkstribune, als ihre Person mehr zu erklären hatte als ihr Programm. Auch hier landet Seeßlen sofort wieder beim Charakter der Personen und schweigt über das kapitalistische Programm, das sie durchzusetzen haben. Nur deshalb, nicht wegen ihrer Persönlichkeit sind diese Personen an die Regierung gekommen.
Das gilt auch für Trump, Orbán, Erdo?an und Putin, aber auch für all die angeblich liberalen Politiker:innen, die sich verbal von ihnen abgrenzen, aber auch nur eine Variante autoritärer kapitalistischer Staatspolitik umsetzen. Man kann hier an Hilary Clinton ebenso denken wie an Robert Habeck oder Olaf Scholz. Seeßlen hat gerade deshalb soviele treue Leser:innen, weil er von diesem Kapitalismus nicht reden will.

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