Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2018
Warum Erdogan Trumps Aufwertung von Jerusalem gelegen kommt
von Serdar Kazak

«Man zahlt das Geld der Nutte und das Schmiergeld dem Beamten, bevor das Geschäft beginnt.»

Diese «Weisheit» gehört dem türkisch-iranischen Goldhändler Reza Zarrab, der seit einem Jahr in den USA in U-Haft sitzt und seit einigen Wochen vor einem dortigen Bundesgericht umfangreiche Geständnisse über seine Geschäfte mit den türkischen Behörden ablegt. Durch seine Geständnisse hat der Staatsanwalt ihn vom «Angeklagtem» zum «Kronzeugen» befördert.

Einer der Beamten, mit dem dieser Herr Geschäfte gemacht und dem er wahrscheinlich auch das Schmiergeld bezahlt hat, war niemand anderer als Herr Erdogan höchst persönlich. Man darf sich nicht wundern, wenn der Staatsanwalt irgendwann Anklage gegen den Präsidenten der Türkei erhebt oder seine Festnahme verlangt. Ob sowas eine praktische Bedeutung haben kann und was es bringen würde, bleibt zu diskutieren, aber nicht zu diskutieren braucht man, dass seine Regierungsmitglieder in den Gerichtsunterlagen namentlich genannt werden.

So eine Eiszeit zwischen der USA und der Türkei war eigentlich seit langem zu erwarten, die Anzeichen dafür traten immer deutlicher hervor: Die USA haben die kurdischen Einheiten immer offener unterstützt; die Türkei hat ihren Flirt mit dem Russland zu einer leidenschaftlichen (wenn auch einseitigen) Liebe gesteigert, sich auf den Kauf von SS-400-Raketen geeinigt und Russlands Friedensplan für Syrien ohne Bedenken akzeptiert.

 

Zarrabs Erzählungen

Bei dem genannten «Geschäft», von dem der dubiose Goldhändler vor Gericht berichtete, handelte es sich um nichts anderes als einen total legal aussehenden Erdölimport aus dem Iran. Da man wegen der Sanktionen kein Geld an den Iran überweisen durfte, wurde der Gegenwert für das Erdöl bei einer staatlichen türkischen Bank deponiert. Der Iran durfte mit damit Gemüse, Obst oder andere zivile Güter aus der Türkei kaufen. Ausgerechnet der «Gemüseverkäufer» war Herr Zarrab persönlich. Er «verkaufte» virtuelle Lebensmittel in den Iran, iranische Grenzbeamten haben den Eingang der nie existierenden Lkw bestätigt. Danach durfte der «Exporteur» eine enorme Geldsumme von der türkischen Bank abholen, seine eigene Kommission kassieren und den Rest über den Landweg in den Iran transportieren.

Laut seiner Aussage hat der Goldhändler Zarrab an Herrn Erdogan eine dreistellige Millionensumme in Euro und genausoviel in Dollar und nochmal genausoviel in Gold bezahlt. Wie seine persönliche Weisheit sagte, das Schmiergeld für den Beamten musste am Anfang bezahlt werden.

Als der «Goldhändler» Reza Zarrab in New York verhaftet wurde, war die erste Reaktion der türkischen Regierung, ihn ohne Wenn und Aber zu verteidigen. Ganz offiziell wurde versucht, «eigene Staatsbürger» gegen «Juristenwillkür» zu schützen. Als dieser Staatsbürger jedoch wegen einer möglichen Strafmilderung mit dem Staatsanwalt kooperierte, kehrte sich die offizielle Haltung der Türkei plötzlich um. Über Nacht wurde Zarrab zu einem «iranischen Spion» erklärt, ausgebürgert und sein Reichtum in der Türkei beschlagnahmt. Den Pass konnten sie ihm nicht mehr abnehmen, das hatte schon das US-Gericht getan.

Die panische Reaktion der Türkei lässt sich damit erklären, dass Erdogan, wenn auch vielleicht zu spät, begriffen hat, in welcher Gefahr er sich befindet. Die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels war deshalb ein Segen Gottes für ihn und seine innenpolitische Rettung, weil er den Prozess in den USA als Komplott von «Juden» und Amerikanern gegen die islamische Welt und gegen ihn selbst verkaufen konnte. Sofort zog er sein verlogenes «Antiimperialistenhemd» an und schäumte gegen Jerusalem, gegen die USA, gegen Israel. Das war wie immer eine verlogene Aktion, auf der offiziellen Internetseite des Außenministeriums der Türkischen Republik steht seit Jahren die Information, dass Jerusalem die Hauptstadt Israels sei. Man kann das ganze entweder als Seifenoper oder als eine triviale Komödie betrachten. Für eine diplomatische Krise ist es zu billig.

Die türkische Seite, man braucht nicht viel zu sagen, steht moralisch, aber auch politisch auf unterstem Niveau. Die Regierung hat zusammen mit einem dubiosen Geschäftsmann, in dessen Lebenslauf auch Frauenhandel eine Rolle gespielt hat, Geldwäsche getrieben. Die hochrangigsten Regierungsmitglieder haben an diesem Geschäft aktiv teilgenommen.

Auf der amerikanischen Seite ist es nicht viel besser. Der US-Bundesgericht wusste vielleicht nicht, was diese Provinzgauner in der Türkei mit dem Iran gemacht haben. Die Regierung oder die CIA muss aber die ganze Geschichte seit Jahren gewusst haben. Zarrabs Erzählungen erstrecken sich auch über Zeiträume, wo die USA und die Türkei ziemlich enge Freunde waren. Das war höchstwahrscheinlich ein Geheimnis, das jeder kannte, aber (warum auch immer) nicht unterbinden wollte.

 

Was uns als Linke betrifft…

Bei aller niedergedrückten Stimmung der türkischen Linken beobachte ich eine gewisse Freude darüber, dass Erdogans Vertraute vor einem US-Gericht angeklagt sind. Ich muss gestehen, persönlich finde es auch irgendwie amüsant.

Ein US-Gericht wird aber keine Revolution machen. Was die USA tun, tun sie um ihrer eigenen Interessen willen, und die Linke hat darin keine Zukunft. Die Herrschenden in den USA möchten nicht einmal eine einigermaßen funktionierende bürgerliche Demokratie, damit das Proletariat eine Chance hat, seine Interessen durchzusetzen. Das gilt auch für die kurdische nationale Bewegung. Ein Konflikt zwischen den USA und der Türkei kann in der Türkei entweder eine den USA freundlich gesinnte Diktatur oder einen islamistischen Despotismus hervorbringen. Alles andere müssen die oppositionellen und fortschrittlichen Kräfte selber aufbauen.

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