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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2018
Jetzt geht’s Richtung Nulltarif
von vb

Dreckige Luft in Innenstädten, Dieselskandal, Feinstaubtote, Klimawandel, steigende Ungleichheit und wachsende Armut…

Unter dem Schlagwort «Verkehrswende» sind in zahlreichen Städten Bündnisse zur Steigerung der Lebensqualität entstanden. Damit die Verkehrswende gelingt, muss der motorisierte Individualverkehr zurückgedrängt werden.

Die Initiative «Nahverkehr für alle» ist ein lokales Beispiel in Kassel. Entstanden ist sie vor zwei Jahren als Initiative gegen geplante Kürzungen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Heute setzt sich die Initiative dafür ein, den Nulltarif, also den fahrscheinlosen Nahverkehr, auf die Tagesordnung zu setzen. Da wird man natürlich schnell mit der Frage nach der möglichen Finanzierung konfrontiert. Wie sich ALG-2-Bezieher, in deren Regelsatz gerade mal 25 Euro für Verkehr vorgesehen sind, ein Monatsticket leisten sollen, das oft, selbst ermäßigt, fast das Doppelte kostet, fragt dagegen fast niemand.

Dabei gibt es bereits Städte, in denen der Nulltarif praktiziert wird, wie Tallinn, die Hauptstadt Estlands, oder auch viele Gemeinden Südfrankreichs. Hessische Landesbeschäftigte haben bei den letzten Tarifverhandlungen ein Jobticket für ganz Hessen erhalten, Schüler können in Hessen nun für 365 Euro im Jahr fahren. Und fast wäre das ÖPNV-Landesticket auf einen größeren Empfängerkreis ausgeweitet worden, nachdem CDU und Grüne Mitte Dezember überraschend dem Antrag der Linksfraktion zustimmten. Das war dann aber doch ein Versehen und die Abstimmung wurde wiederholt.

Auch für Studierende gibt es oft günstige Ticketvarianten. Gerade Menschen mit wenig Geld werden von der Mobilität jedoch weiterhin ausgeschlossen. Dabei sind sie es, die gleichzeitig am meisten unter den Verkehrsbelastungen leiden, etwa weil sie wegen der Mieten an den besonders belasteten Hauptstraßen wohnen. Die Initiative «Nahverkehr für alle» greift dieses Thema deshalb auf, um genau diese Menschen anzusprechen und gemeinsam in Aktion zu treten. Die Frage nach dem Nulltarif und dem Ausbau des ÖPNV ist ein Hebel, um die Klimafrage vor Ort aufzugreifen, konkret etwas an den Lebensbedingungen zu verbessern, aber auch weitergehende Fragen zu thematisieren – denn man landet schnell bei der Frage, warum die Autoindustrie subventioniert wird, während für einen selbst schon der Weg in die Innenstadt zum Luxus wird.

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1 Kommentar
  • […] „Die Initiative «Nahverkehr für alle» in Kassel“ von vb in der SoZ Ausgabe 1/2018 ist ein kurzer Erfahrungsbericht, in dem unter anderem hervor gehoben wird: „Auch für Studierende gibt es oft günstige Ticketvarianten. Gerade Menschen mit wenig Geld werden von der Mobilität jedoch weiterhin ausgeschlossen. Dabei sind sie es, die gleichzeitig am meisten unter den Verkehrsbelastungen leiden, etwa weil sie wegen der Mieten an den besonders belasteten Hauptstraßen wohnen. Die Initiative «Nahverkehr für alle» greift dieses Thema deshalb auf, um genau diese Menschen anzusprechen und gemeinsam in Aktion zu treten. Die Frage nach dem Nulltarif und dem Ausbau des ÖPNV ist ein Hebel, um die Klimafrage vor Ort aufzugreifen, konkret etwas an den Lebensbedingungen zu verbessern, aber auch weitergehende Fragen zu thematisieren – denn man landet schnell bei der Frage, warum die Autoindustrie subventioniert wird, während für einen selbst schon der Weg in die Innenstadt zum Luxus wird“. […]


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