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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2018
Senat privatisiert Schulgebäude
von David Stein

Berliner Schulen sind marode, und wie. Schuld daran ist nicht zuletzt die «rot-rote» Koalition, die zur Amtszeit von Wowereit «gespart hat, bis es quietscht». Nun müssen die Schulen aufwendig saniert werden. Und was tut der neue Senat? Privatisiert Schulgebäude und Schulflächen.

Im Koalitionsvertrag des Berliner Senats wurde Ende 2016 vereinbart, eine auf zehn Jahre angelegte Berliner Schulbauoffensive zu starten. In die Sanierung, den Neubau und die Erweiterung allgemeinbildender Schulen sollen über 5 Milliarden Euro investiert werden. Der Bedarf basiert dabei auf einer nicht validen Kostenschätzung des Senats. Die Betroffenen – Lehrerinnen, Schüler und deren Eltern – wissen, dass der Sanierungsbedarf bei den Berliner Schulen groß ist. Daher fällt diese Initiative des Senats auf fruchtbaren Boden. Eine breite öffentliche Debatte über die Risiken des vom Senat favorisierten Modells blieb deshalb bisher aus. Die Betroffenen sind froh, dass überhaupt etwas geschehen soll, nachdem Bezirke und Senat die Mittel für Schulsanierungen jahrelang kaputtgespart haben.

Dabei ist der Öffentlichkeit jedoch weitgehend entgangen, dass diese Initiative die Übertragung eines noch zu beziffernden Teils der Gebäude und Grundstücke von rund 800 Schulen von der öffentlichen Hand an eine private Infrastrukturgesellschaft beinhaltet, in Erbpacht und in der Rechtsform einer GmbH. Die GmbH kann dann Kredite für den Schulbau am Kapitalmarkt aufnehmen, um befürchtete Finanzierungslücken, die über den Landeshaushalt nicht abgedeckt werden können, zu schließen. Die Bezirke müssen die Schulen von der GmbH zurückmieten. Die Mieteinnahmen und Erbbaurechte auf den Schulgrundstücken sollen als Sicherheit für die Kredite dienen. Die Sicherheiten können bei Nichtbedienung der Kredite auch verwertet werden.

Die Gründung einer Gesellschaft privaten Rechts (Schulbau- und Sanierungsgesellschaft) als Tochtergesellschaft der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE GmbH widerspricht dem Grundsatz, dass die Bereitstellung öffentlicher Güter wie Schulgebäude und Schulgrundstücke in die öffentliche Hand gehört. (Eine Wohnungsbaugesellschaft unterhält Wohnungen, das wird in Deutschland nicht als staatliche Aufgabe betrachtet; bei der zu gründenden GmbH geht es aber um den Betrieb von Schulen, was zur Daseinsvorsorge gehört.)

 

Systemwechsel mit ­negativen Folgen

Dahinter steckt kein kleinlicher Streit um Prinzipien. Eine GmbH muss gewinnorientiert arbeiten, um kreditfähig zu sein. Deren geschäftliche Aktivitäten und die von ihr eingegangenen Verträge sind nach außen als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis intransparent und der demokratischen Kontrolle und Einflussnahme des Berliner Abgeordnetenhauses, der Bezirke als Schulträger und der Bevölkerung entzogen.

Die Geschäftsführer der GmbH können weitreichende Entscheidungen treffen, wie den Verkauf von Gegenständen des Gesellschaftsvermögens und die für die Steuerzahler teure Übertragung der Bauprojekte auf Generalunternehmer, ohne dass die Schulträger einen Einfluss darauf haben. Zu kritisieren ist auch, dass der privaten HOWOGE öffentliches Vermögen in Milliardenhöhe ohne jegliche Gegenleistung übertragen wird.

Die Berliner LINKE verkauft dieses Modell in der Öffentlichkeit als «alternative» Finanzierung und intelligente Lösung, um die ab 2020 für den Kernhaushalt wirksame Schuldenbremse zu umgehen. Grundsätzlich sind die Haushalte von Bund und Ländern durch die Schuldenbremse verfassungsrechtlich angehalten, die Haushalte ohne Kredite auszugleichen. Ob das geplante Modell der Berliner Schulbauoffensive nicht doch unter die Schuldenbremse fällt, gerade dann wenn das Land für die GmbH gegenüber den kreditierenden Banken bürgt, ist bisher ungeklärt.

Fest steht jedoch jetzt schon, dass das Modell kein kluger Schachzug selbsternannter Haushalts-Robin-Hoods der Berliner LINKEN ist. Der Plan entspricht vielmehr gebräuchlichen Modellen der Privatisierung öffentlicher Güter durch sog. Projektprivatisierungen. Deren negative Folgen sind sattsam bekannt.

Im Jahr 2011 hat Hamburg 95 Prozent seiner Schulen und Schulflächen an eine GmbH übertragen. Von dieser GmbH wurden Schulflächen für den Hausbau ohne staatliches und parlamentarisches Mitspracherecht verscherbelt. Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft durften nicht einmal über den Verkauf und die erzielten Erlöse informiert werden, da wurde auf das Geschäftsgeheimnis verwiesen.

Die über die GmbH aufgenommenen Kredite kamen Hamburg bei dem Aufwand für Zinszahlungen doppelt so teuer zu stehen, als wenn der Senat selbst Kommunalkredite aufgenommen hätte. Die Hamburger LINKE hat dieses Modell damals, anders als nun ihre Berliner Genossen, bekämpft und zu verhindern versucht.

 

Staat geht besser als privat

Bis die GmbH in der Lage sein wird, die ihr übertragenen Bauprojekte durchzuführen und Projekte auszuschreiben, werden Jahre vergehen, das bestreitet der Senat nicht. Bezirke und Senat könnten die anstehenden Projekte schneller selbst in Angriff nehmen. Die HOWOGE hat kein Fachpersonal und keine Expertise für die Planung und Steuerung der notwendigen Baumaßnahmen. Die neue GmbH muss das qualifizierte Personal am Markt erst anwerben. Es zeichnet sich ab, dass sie dafür einen teuren Generalunternehmer beauftragen wird, wie wir es von Berliner Großprojekten kennen.

Das akute Problem ist derzeit gar nicht die Finanzierung. Allein für das Haushaltsjahr 2017/2018 stehen 830 Millionen Euro für Schulbauten zur Verfügung. 2016 wurde nur ein Bruchteil der im Haushalt dafür eingestellten Mittel für den Schulbau abgerufen. Verantwortlich hierfür ist die Lage am Baumarkt. Projekte können auch von einer neuen GmbH nicht im Hauruckverfahren realisiert werden. Bauunternehmen und Handwerker sind beim derzeit überhitzten Berliner Baumarkt rar. Die schiere Größe des Projekts und die Privatisierung sind also noch kein Garant für den Erfolg.

In der neuen Gesellschaft müssten zudem hohe Gehälter für Geschäftsführung und Management bezahlt werden. Bei der Berliner Flughafen GmbH und den kommunalen Wohnungsgesellschaften liegen die Gehälter heute schon deutlich über den Bezügen der Bundeskanzlerin.

Die Sanierung und der Ausbau der maroden Schulen könnten schneller, effizienter und kostengünstiger erfolgen, wenn sie weiter in der Regie der Bezirke blieben. Der Senat könnte durch eine bessere Koordinierung der Sanierungen Synergieeffekte erzielen.

Zuständig für dieses Projekt wäre primär die der SPD angehörige Schulsenatorin. Die Kraft aber, die sich in der Öffentlichkeit mächtig für das Projekt ins Zeug legt und es sich mitsamt dem dafür vorgesehenen Finanzierungsmodell auf die eigenen Fahnen schreibt, ist die Berliner Linkspartei, die auch die Bausenatorin stellt.

Die GmbH ist noch gar nicht gegründet, die Satzung der Gesellschaft sowie die sonstigen Verträge liegen deshalb den Abgeordneten und ihren Parteien noch gar nicht vor. Dies wäre aber eine zwingende Voraussetzung für eine seriöse Risikobeurteilung und Folgenabschätzung. Auch was die Finanzierung durch Kredite anbelangt, die von der GmbH aufgenommen werden sollen.

 

Eine eierlegende Wollmilchsau?

Doch obwohl die rechtlichen Rahmenbedingungen noch gar nicht vorliegen, hat die Berliner LINKE das Schulprivatisierungsmodell bereits jetzt auf ihrem Landesparteitag am 25.11.2017 als Blankoscheck für den Senat aufgrund einer windigen Schönwettervorlage durchgewunken, in der die Risiken völlig ausklammert werden. Zynischerweise hat sich die Berliner LINKE auf ihrem Parteitag zusätzlich für die Aufnahme einer Privatisierungsbremse in die Landesverfassung ausgesprochen.

Statt die ökonomische Verirrung der neoliberalen Schuldenbremse politisch offensiv anzugehen, lässt sich die Partei von der Mehrheit der Delegierten und der Berliner DGB-Vorsitzenden als Vordenkerin einer neuen Bau- und Finanzierungspolitik feiern. Kritiker aus der eigenen Partei wurden überstimmt und die NGO «Gemeingut in Bürgerhand», die Aktive und Experten zu den Folgen von Privatisierungen versammelt, vom hohen Ross abgekanzelt, wie es bei Regierungsparteien eben üblich ist.

Es geht jetzt darum, diesen Beschluss des Parteitags der Berliner LINKEN durch die Mobilisierung der Parteibasis, auch in den anderen Bundesländern, zu kippen. Noch wichtiger sind Aktionen außerhalb der Parteien, die die Regierungskoalition stellen (SPD, Grüne, LINKE). Die Initiative «Gemeingut in BürgerInnenhand» schafft in Berlin bereits Gegenöffentlichkeit und mobilisiert Betroffene gegen das Projekt.

Was die ebenfalls notwendige Mobilisierung in den Gewerkschaften anbelangt, so hat sich der Berliner Landesverband der GEW bereits klar gegen die Art und Weise der Schuloffensive des Senats ausgesprochen und Gegenvorschläge unterbreitet. Dieser Widerstand der GEW muss nun in andere Gewerkschaften, wie Ver.di, getragen werden.

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