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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2018
Stellungnahme zu Michael Sankari, «Sieben Thesen zu den Aufgaben einer offensiven Gewerkschaftspolitik», SoZ 12/2017
von Rolf Geffken*

Natürlich hat Michael Sankari recht mit seiner Kritik am Abstraktum eines «politischen Mandats» mit einer «konkreten Politik», das von den hauptamtlichen Funktionären der IG Metall auf Einladung der Partei DIE LINKE eingefordert wurde. Doch greift diese Kritik nicht viel zu kurz? Wie ist denn die Praxis dieser Organisation? Kann man sich angesichts dieser sehr konkreten Praxis noch abstrakte Kritik leisten? Oder dient letztlich und objektiv solch zurückhaltende Kritik nicht der Fortschreibung dieser verheerenden Politik?

In den Betrieben – vor allem in der Automobilindustrie – hat die IG Metall schlicht nichts gegen die Spaltung der Belegschaften unternommen. Im Gegenteil: Sie hat diese Spaltung im vermeintlichen «Interesse» der Stammbelegschaften vertieft, indem sie z.B. bei VW mit Werkvertragsunternehmen eigene Tarifverträge abgeschlossen und dort sogar Betriebsräte installiert hat. Sie hat durch Tarifverträge über die DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit den im Gesetz (!) verankerten Grundsatz «Equal Pay» jetzt sogar für 48 Monate (!) außer Kraft gesetzt. Sie verweigert Betroffenen individuelle Unterstützung bei Klagen gegen Scheinwerkverträge. Sie verhindert klare Ansprüche von Leiharbeitern auf Festanstellung, indem sie diese Frage in ihren Tarifverträgen der freien Entscheidung der Unternehmen überlässt. Sie erhebt Forderungen zur Begrenzung der Arbeitszeit durch individuelle (!) Vereinbarungen und schreibt damit das spalterische Unwesen der sog. «Zielvereinbarungen» fort. Tarifverträge aber sind nach dem Einmaleins der Gewerkschaftsgeschichte und des Arbeitsrechts gerade das bewusste Gegenteil von individuellen Abmachungen!

Die IG Metall betreibt seit langem einen Abbau anerkannter Standards. Zum Beispiel beim Rückbau der 5-Tage-Woche hin zur Samstagsarbeit. Das ist keine «defensive» Tarifpolitik, sondern Politik im Sinne der Unternehmen. All diese Maßnahmen sind nicht nur das Gegenteil einer «offensiven» Tarifpolitik. Sie sind vielmehr eine Politik der Spaltung, die den Belegschaften strukturell die Streikfähigkeit nimmt und damit die Axt an die Wurzeln der Organisation legt. Das verbietet es auch – wie noch in den 1980er Jahren – einfach nur eine «offensivere Lohnpolitik» zu verlangen, mehr Prozente, Festgeld usw. Nein, es geht darum, dass diese Politik zutiefst regressiv ist und nur durch eine Totalkritik und auch durch neue Fragestellungen bei der Organisierung von Beschäftigten überwunden werden kann.

Inzwischen nämlich unterläuft die IG Metall nicht etwa nur bei der Leiharbeit gesetzliche Standards, sondern auch in vielen anderen Bereichen. So wären Unternehmen an sich gezwungen, etwa bei den Umkleidezeiten den Beschäftigten Millionen von Euro zu vergüten, wenn es die Tarifverträge der IG Metall nicht gäbe: Diese nämlich unterlaufen die klaren gesetzlichen Bestimmungen zulasten der Beschäftigten und zum Vorteil der Unternehmen.

Schließlich fehlt der IG Metall – und auch ihren angeblich «linken» Funktionären – jede kritische Sicht auf die Funktion der Betriebsräte. Die Zahl der gemobbten und ausgegrenzten oppositionellen Betriebsratsmitglieder nimmt immer mehr zu. Das Co-Management der Betriebsräte bei VW hat eine bislang ungeahnte Qualität erreicht. Wo ist da die Kritik der Linken? Wo ist die Kritik der Partei DIE LINKE? Immer weiter wird an der längst obsoleten Legende von der «starken» und vermeintlich «kämpferischen» IG Metall gestrickt. Der Erste Bevollmächtige der IG Metall Wolfsburg, Hartwig Erb, der die auf Festanstellung klagenden Testfahrer bei VW diffamiert und die Tarifverträge mit Werkvertragsfirmen «durchsetzte», tritt gemeinsam mit der Bundestagsabgeordneten Pia Zimmermann auf einer Veranstaltung auf, als wäre nie etwas gewesen… Und der Betriebsratsvorsitzende bei Porsche, Uwe Hück, diffamiert einen nach fast 40 Jahren entlassenen Kollegen auf einer Betriebsversammlung wie folgt: «Mach in deinem Leben endlich etwas Richtiges: Kündige und haue ab!» Und was sagt DIE LINKE dazu? Nichts. Damit muss Schluss sein. Jetzt.

 

* Rolf Geffken ist Autor von: Legende & Wirklichkeit. Die IG Metall in der Automobilindustrie. Fadenberge: VAR, 2018.

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