Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2018

Weiter Teil des Problems
von Wolfgang Pomrehn

Eigentlich läuft doch alles ganz gut mit der Energiewende, oder für einige vielleicht zu gut? Im zurückliegenden Jahr hat es noch einmal einen kräftigen Anstieg der Stromproduktion aus  erneuerbaren Energien gegeben. Ein gutes Drittel der Bruttostromproduktion liefern sie inzwischen. Zieht man von dieser den beachtlichen Eigenbedarf der konventionellen Kraftwerke ab – immerhin rund 4 Prozent der bundesweiten Stromproduktion werden in Atomkraftwerken und fossilen Kraftwerken verbraten – sowie den noch größeren Nettoexport, dann tragen die Erneuerbaren inzwischen immerhin beachtliche 38 Prozent zur heimischen Stromversorgung bei.

Für einige ist das offensichtlich beängstigend. Die alten Stromriesen straucheln. Vattenfall hat sein Braunkohlegeschäft – unter dem Beifall der sächsischen und brandenburgischen Landesregierungen – an ein windiges Konstrukt tschechischer Offshore-Fonds abgestoßen, das, wenn überhaupt, nur mit großer Mühe für die Ewigkeitskosten wird herangezogen werden können.

Erneuerbare unter einem Dach

Der badische Energieversorger EnBW wird – mit erheblichen Verlusten für den Steuerzahler – hin und her verkauft, und die beiden westdeutschen Platzhirsche E.on und RWE, die längst EU-weit ganz vorne mitspielen, zerlegen ihre Konzerne in Puzzleteile, die sie nun zu einem neuen Muster zusammenzusetzen versuchen.

Mitte März kündigte E.on an, man wolle Innogy übernehmen. Unter diesem Label firmiert seit dem letzten Jahrzehnt die RWE-Sparte Erneuerbare Energieträger. 2016 wurde der Unternehmensteil mit dem Netzgeschäft zusammengelegt und zu einer selbständigen Aktiengesellschaft gemacht. Die alten konventionellen Kraftwerke – betrieben mit Uran, Gas und vor allem mit Braunkohle – verblieben bei RWE. Zugleich hält RWE noch knapp 77 Prozent der Innogy-Aktien. 23 Prozent wurden im Rahmen des Börsengangs verkauft und brachten 2,6 Milliarden Euro ein. Die hatte RWE auch dringend nötig, denn Abschreibungen vor allem auf seine ausländischen auf seine alten Kohle- und Gaskraftwerke sorgten im vergangenen Jahr erneut für Milliardenverluste.

Ähnlich die Lage bei E.on aus, wo man allerdings einen anderen Weg ging. Die alten Kraftwerke wurden in Uniper ausgegliedert. 53,35 Prozent der Uniper-Anteile wurden an die E.on-Aktionäre verteilt, während die restlichen 46,65 Prozent zunächst bei E.on verblieben und zu Anfang des Jahres für 3,8 Milliarden Euro an den finnischen Stromkonzern Fortum verkauft wurden. Der Erlös dient vor allem zum Abbau des Schuldenbergs von 20 Milliarden Euro. Der ist das Ergebnis von E.ons Shoppingtour, die den Konzern insbesondere nach Großbritannien führte. Alte Kohlekraftwerke standen auf dem Einkaufzettel, und das im letzten Jahrzehnt, zu einer Zeit also, als schon jeder über den Klimawandel und die besondere Schädlichkeit der Kohle Bescheid wissen konnte. Inzwischen haben vor allem die Steinkohlekraftwerke große Schwierigkeiten, genug Strom abzusetzen, um rentabel zu bleiben. Windkraftanlagen drängen sie vom Markt, und die britische Regierung spricht vom Ausstieg aus der Kohle bis 2025.

Die beiden Stromgiganten sind also reichlich angeschlagen, und der jüngste Schachzug sieht ganz danach aus, als wolle man sich irgendwie gemeinsam in die neue Zeit retten. E.on kauft von RWE Innogy, wobei die Konzerne zugleich Anteile austauschen, sich also verflechten. Innogy soll zerschlagen werden, das Geschäft mit den alten Wasser- und neuen Windkraftwerken wieder zur RWE kommen. Ebenso das Wenige, das E.on auf diesem Gebiet hat. Einige Biogas- und Solaranlagen sind auch darunter, aber im wesentlichen engagieren sich die beiden bisher in Windkraft, vieles davon in britischen und auch ein wenig in deutschen Gewässern vor der Nordseeküste. E.on bekommt das Netzgeschäft und den Energiehandel von Innogy und wird dann gar nichts mehr mit Stromerzeugung zu tun haben.

Geschäft mit staatlicher Subvention der Kohle

Welche Konsequenzen wird es haben, wenn die Erneuerbaren nun bei RWE vereint sind? Der Konzern wird sicherlich mehr Kapitalkraft haben, sich an Ausschreibungen zu beteiligen, über die der Ausbau von Wind- und Solarenergie in den meisten Ländern inzwischen organisiert ist. Das ist ein Verfahren, das die großen Unternehmen eindeutig bevorzugt, und hierfür stellt sich das Gespann RWE–E.on offenbar besser auf. Ungewiss bleibt, ob das wirklich das wichtigste Motiv ist.

Klar ist, dass die Erneuerbaren in dem neuen Gebilde weiter eine untergeordnete Rolle spielen. Nur wenige Tage nach dem E.on die Innogy-Übernahme ankündigte, wurde bekannt, dass RWE sich auch um den Erwerb von Kohlekraftwerken von EnBW bemüht. Dahinter könnte stecken, dass der Konzern auf den sog. Kapazitätsmarkt setzt. Darunter wird ein Regelwerk verstanden, mit dem Kraftwerksbetreiber allein dafür bezahlt werden, dass sie ihre Anklagen zur Verfügung stellen.

Ein Vorläufer davon ist in gewisser Weise die sog. Sicherheitsreserve, die 2016 beschlossen wurde. Die Bundesregierung verabredete mit den Energieunternehmen, dass diese einige Kraftwerksblöcke vom Netz nehmen, aber in Bereitschaft halten. Das ganze soll angeblich den Klimaschutz dienen, doch tatsächlich war zumindest ein Teil der Anlagen ohnehin zur Stilllegung vorgesehen.

Wie Anfang März durch eine kleine Anfrage der Grünen bekannt wurde, sind die Kraftwerke bisher nicht ein einziges Mal angefordert worden, aber ihre Besitzer erhielten dafür 2017 85 Millionen Euro und in diesem Jahr voraussichtlich 145 Millionen Euro. Das Interesse von RWE an alten Kraftwerken deutet ganz darauf hin, dass man in der Essener Konzernzentrale hofft, dieses Geschäftsmodell ausdehnen zu können. Wie es aussieht, wird das Gespann E.on–RWE also nicht gerade zur Avantgarde der Energiewende werden, sondern ein Teil des Problems bleiben.

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