von B.I. Bronsteyn
Am 25.6.2012 jährte sich der Beginn des Koreakriegs zum 62. Mal. Die offizielle Version dieses Ereignisses in Medien und Geschichtsbüchern lautet, am 25.8.1950 hätten überraschend nordkoreanische Truppen die Demarkationslinie überschritten und Südkorea überrannt.
Das ist eine Geschichtsfälschung, wenn auch eine sehr erfolgreiche. Noch heute wird damit Politik gemacht. Die Wahrheit ist: Nach der Kapitulation Japans wurde Korea von den Siegermächten entlang des 38.Breitengrads in zwei Besatzungszonen aufgeteilt. Der Süden wurde von US-amerikanischen Truppen besetzt, der Norden kam unter die Kontrolle der Roten Armee. Die Alliierten hatten auf der Konferenz von Jalta beschlossen, dass Korea ein vereinigtes, unabhängiges Land unter einer gewählten Regierung werden sollte, legten jedoch keine Details fest. Die USA verhinderten eine solche Entwicklung: Gegen seinen Willen wurde Korea auf Druck der USA geteilt. Die US-Besatzungsbehörden verboten 1945 eine von kleinbürgerlichen koreanischen Nationalisten in Seoul ausgerufene provisorische Regierung.
Die koreanische Oberschicht war durch ihre jahrzehntelange Kollaboration mit dem japanischen Imperium in der Bevölkerung völlig diskreditiert [Korea war von 1910 bis 1945 eine japanische Kolonie]. In ganz Korea wurden Ländereien von Großgrundbesitzern besetzt. Arbeiterräte hatten die Fabriken übernommen, ihre (oft japanischen) Besitzer waren geflohen.
Die Lage der Oberschicht war verzweifelt. Rettung erhoffte sie von Syngman Rhee, einem Adligen und rechtsextremen Politiker, der von den US-Besatzungsbehörden aufgebaut wurde. Syngman Rhee errichtete in der US-Besatzungszone ein Terrorregime. Er stützte sich dabei auf ehemalige koreanische Offiziere der japanischen Armee. Ab 1948 kam es zu erbitterten Aufständen in ganz Südkorea. Bei einem Aufstand auf der vorgelagerten Insel Jejudo richteten Polizei und Armee ein Massaker an, bei dem bis zu einem Viertel der Bevölkerung getötet wurde.
Mit diesen Aufständen hatte Nordkorea nichts zu tun. Allerdings tobte an der Demarkationslinie ein ständiger Grenzkrieg. Der gesamte Südwesten Koreas befand sich in ständigem Aufruhr gegen das verhasste Syngman-Rhee-Regime. Nur ein Krieg konnte es noch retten.
Nach gefälschten «demokratischen» Vorwahlen von 1948 verlor Syngman Rhee am 30.Mai 1950 spektakulär die Wahlen zur Nationalversammlung, und das, obwohl die gesamte Linke (inkl. der Kommunisten) verboten war.
Ein dreistes Manöver
Das offizielle Datum des Kriegsausbruchs ist der 25.6.1950. Am 26.6.1950 meldeten namhafte Presseorgane des Westens (London Daily Herald, Guardian, New York Herald Tribune, New York Times), südkoreanische Truppen seien erfolgreich in den Norden vorgedrungen und hätten die nordkoreanische Stadt Haeju erobert. Im Archiv des Guardian ist es heute noch nachzulesen (www.guardian.co.uk/world/1950/jun/26/northkorea).
Am selben Tag legten die USA im UN-Sicherheitsrat eine Resolution vor, die Nordkorea der «unprovozierten Aggression» beschuldigte. Aus Protest gegen die Nichtaufnahme der VR China in die UNO waren die Vertreter der UdSSR im Sicherheitsrat nicht anwesend. Trotzdem war das exzellent geplante diplomatische Manöver nicht leicht. Ägypten forderte, das Wort «unprovoziert» aus der Resolution zu streichen, denn der ständige Grenzkrieg an der Demarkationslinie war bekannt. Auch Jugoslawien war störrisch. Die USA setzten die Resolution jedoch mit den Stimmen der Westmächte, Nikaraguas (die Diktatur Somozas) und Kubas (die Diktatur Batistas) durch.
Dieses diplomatische Manöver der USA bildet bis heute die Basis für die Geschichtsfälschung über den Ausbruch des Koreakriegs. Beim folgenden Gegenangriff der nordkoreanischen Armee brach die südkoreanische Armee innerhalb von Wochen völlig zusammen. Die nordkoreanischen Streitkräfte besetzten Seoul am 28.Juni. Über der Stadt gab es einen Luftkrieg, bei dem 37 südkoreanische und 9 nordkoreanische Soldaten umkamen. In die größte Schlacht zwei Tage später waren allein nord- und südkoreanische Kräfte involviert. Die nordkoreanische Armee zerstörte 89 Panzer, 76 Artilleriegeschütze, 19 Bomber und tötete 21 Soldaten. 7000 südkoreanische Soldaten wurden verwundet, 16.000 gefangen genommen. Viele Kriegsgefangene kämpften später in den Reihen der nordkoreanischen Armee oder desertierten nach der Schlacht.
Das Bodo-League-Massaker
Die Realität in der Anfangsphase des Krieges war, dass nordkoreanische Truppen (die meist begeistert begrüßt wurden) gar nicht so schnell vorrücken konnten, wie reguläre südkoreanische Truppen auseinander liefen oder desertierten. Die zurückweichenden Spezialtruppen und US-Einheiten hatten wichtigeres zu tun als zu kämpfen, sie waren vornehmlich damit beschäftigt, Südkoreas politische Opposition auszuschalten.
1949, noch vor Ausbruch des Krieges, saßen 30.000 Kommunisten in den Kerkern von Syngman Rhee; 300.000 angebliche Sympathisanten, aber auch Gewerkschafter, antijapanische Nationalisten und Sozialisten wurden im Rahmen einer als «Reeducation-Bewegung» getarnten Zwangsorganisation namens Bodo League zusammengefasst. Am 27.Juni ordnete Syngman Rhee die Massenexekution der Mitglieder von Bodo League und der Südkoreanischen Arbeiterpartei an. Sie ging als Bodo-League-Massaker in die Geschichtsbücher ein. Die Schätzungen über die Zahl der Zivilisten, die im Rahmen des Bodo-League-Massakers massakriert wurden, variieren zwischen 100.000 und 1,2 Millionen.
Das stalinistische Kim-Il-Sung-Regime in Nordkorea hat sicher auch brutale Verbrechen begangen. Dazu gehört u.a. die Vernichtung fast aller südkoreanischen Kader der Kommunistischen Partei und anderer Arbeiteraktivisten, die während des Krieges und danach in den Norden geflüchtet waren.
Aber die Kriegsschuld ist Nordkorea nicht anzulasten. Der Koreakrieg war ein Verbrechen des US-Imperialismus. Er kostete bis zu 5 Millionen Tote.
Im Dezember 2005 richtete die Regierung Roh Moo-hyun eine Wahrheits- und Versöhnungskommission nach südafrikanischem Vorbild ein; sie sollte «Unfälle» in der koreanischen Geschichte seit Beginn der japanischen Kolonisation 1910 bis zum Ende der autoritären Regierungsphase 1993 untersuchen; dafür wurden ihr viereinhalb Jahre Zeit gegeben. Der Kommission wurden auch die Archive geöffnet. Sie kam zur Einschätzung, dass im Sommer 1950 mindestens 100.000 Menschen exekutiert wurden, teilweise auch von der US-Army.
Gerade wegen des Medienhypes um nordkoreanische Atomwaffen dürfen die Verbrechen der USA in Korea 1950–1953 nicht unter den Tisch gekehrt, sondern müssen jetzt aufgedeckt werden.
Siehe auch http://bronsteyn.wordpress.com/tag/koreakrieg.
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