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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2018
Im Sommer 2018 ist die EU in der Europäisierung ­ihrer Abschottungspolitik einen Schritt vorangekommen
von Angela Klein

Nach viertägiger Irrfahrt auf dem Mittelmeer konnte das Rettungsschiff Aquarius mit 141 Flüchtlingen an Bord Mitte August endlich den Hafen von Malta anfahren, nachdem ihm dies zuvor verweigert worden war.

Die EU-Kommission hatte eine Vereinbarung zwischen Frankreich, Deutschland, Spanien, Portugal und Luxemburg vermittelt, wonach die Flüchtlinge auf diese Länder verteilt werden; Deutschland nimmt ganze 50 (!) von ihnen auf. Italien hat sich erneut geweigert, Flüchtlinge aufzunehmen. Bevor die sog. «europäische Lösung» entschieden war, hatten sich Katalonien, Korsika und die französische Hafenstadt Sète angeboten. Die katalanische Regierung hat ihrem Image als demokratische Kraft mal wieder alle Ehre gemacht und angeboten, nicht nur alle Passagiere der Aquarius aufzunehmen, sondern auch Heimathafen für das Schiff zu werden. Im Juli waren erstmals die Geflüchteten auf der Lifeline auf verschiedene EU-Länder verteilt worden.

Gibt es jetzt also Fortschritte in der europäischen Flüchtlingspolitik nach der Sondersitzung des Europäischen Rats Ende Juni, der auf Betreiben einer in politische Nöte geratenen deutschen Bundeskanzlerin zustande gekommen war? Mitnichten. Ein vom Europäischen Rat im September 2015 beschlossenes Umsiedlungsprogramm, mit dem 160.000 Asylbewerber auf verschiedene EU-Staaten verteilt werden sollten, war daran gescheitert, dass einzelne Mitgliedstaaten die Umsetzung des Beschlusses blockierten. Jetzt hat die EU-Kommission bis Oktober 2019 50.000 (!) Plätze für Flüchtlinge in Europa in Aussicht gestellt, davon rund 10.000 in Deutschland. Das ist Europas stolzer Beitrag zur Linderung der Not von über 68 Millionen Flüchtlingen weltweit!

Die Vereinbarungen des Europäischen Rats beziehen sich nur am Rande auf die Tatsache, dass strandende Flüchtlinge nunmehr auf mehrere europäische Länder aufgeteilt werden, und nicht allein vom Ankunftsland versorgt werden müssen. In der Hauptsache betreffen sie nach wie vor drei Punkte:

– Die Einrichtung von Sammellagern in den Ursprungs- oder Transitländern (insbesondere in Afrika) und die Finanzierung der jeweiligen Regierungen, damit sie die Flüchtlinge möglichst von einer Weiterreise nach Europa abhalten.

– Die Verstärkung von Polizei und Militär der EU-Staaten und -Institutionen, damit sie Flüchtlinge aufstöbern und zurückschicken. Zu diesem Zweck werden die finanziellen Mittel für Frontex, die Küstenwachen und andere europäische Agenturen aufgestockt.

– Bilaterale Abkommen, in denen sich die jeweiligen Länder verpflichten, Flüchtlinge zurückzunehmen, wenn sie bei ihnen erstmalig registriert wurden. Auf der Sitzung des Europäischen Rats Ende Juni haben sich einige Staaten erstmals dazu bereit erklärt. Deutschland hat ein solches mit Frankreich und Spanien geschlossen, Griechenland ist dazu bereit, Italien weigert sich nach wie vor.

Was den ersten Punkt betrifft, greifen die EU-Regierungen ungeniert auf die früheren Kolonialbeziehungen zurück. So wurde bspw. Spanien damit beauftragt, auf Marokko einzuwirken, dass es der Einrichtung von Sammellagern auf seinem Territorium zustimmt, in denen auf See abgefangene Bootsflüchtlinge untergebracht werden sollen. Italien besorgt dies seit längerem für Libyen. Die EU möchte, dass diese Lager vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und von der Internationalen Organisation für Migration betrieben werden, um den Vorwurf abzuwenden, hier würden, wie in Libyen  und in Griechenland, menschenunwürdige Unterkünfte mit EU-Geldern bezahlt. Doch der menschenfreundliche Schein trügt, diese supranationalen Institutionen sehen ihre vorrangige Aufgabe längst nicht (mehr?) im Schutz der Flüchtlinge und ihrer Rechte, sondern in der Eindämmung von Fluchtbewegungen: Das IOM hat kürzlich im Niger mit EU-Geldern ein Büro eröffnet, dessen ausdrückliche Aufgabe es ist, Menschen von einer Resie nach Nordafrika oder Europa abzuhalten. Und die UNHCR hat jahrelang die marokkanische und die türkische Regierung darin unterstützt, den Mechanismus der Selektion zwischen «echten» und «illegalen» Flüchtlingen zu perfektionieren.

Der Sinn der Sammellager ist, dass hier bereits entschieden werden soll, wer nach Europa weiterreisen darf und wer nicht. Allerdings hat sich mit Ausnahme von Libyen noch kein afrikanisches Land bereit gefunden, auf seinem Boden solche Lager einzurichten. Algerien hat von vornherein abgewunken; Marokko will sich, so scheint es, die Sache richtig vergolden lassen und verweist auf die Milliardensummen, die die Türkei dafür kassiert, dass Flüchtlinge von europäischem Boden fernhält.

Solche Sammellager sollen auch in Europa selbst errichtet werden – es gibt sie bereits auf der griechischen Insel Lesbos, aber auch in Ingolstadt, wo Bayern die Rolle eines Musterknaben spielen will. Die meisten aber scheuen davor zurück.

Das Ziel der EU-Politik ist es, Flüchtlinge überhaupt daran zu hindern, dass sie auf europäischem Territorium einen Asylantrag stellen können. Und darin sind sich die EU-Staaten erstaunlich einig.

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