von Violetta Bock
Am 10.8.2018 waren Piloten von Ryanair in fünf europäischen Ländern zum Streik aufgerufen. In Deutschland, Schweden, Irland, Belgien und den Niederlanden legten sie die Arbeit nieder. Dies war in der Geschichte der größten Billig-Airline Europas der bislang größte Pilotenstreik. Bereits zwei Wochen zuvor hatten Streiks in Portugal, Spanien und Belgien stattgefunden.
Jeder sechste Flug des europaweiten Tagesprogramms musste abgesagt werden, davon waren 55.000 Passagiere betroffen, darunter 42.000 in Deutschland. Hier entfielen 250 von 400 Flügen. Teils federte das Unternehmen die Auswirkungen durch Vorankündigungen und Umleitungen ab, was jedoch auch von der Vereinigung Cockpit begrüßt wurde, da es nicht darum gehe, an den Schaltern Chaos zu verursachen. Die Umbuchungen treffen das Unternehmen nämlich ebenso wie der sinkende Aktienkurs.
In den Niederlanden hatte Ryanair versucht, den Streik per Gerichtsbeschluss zu stoppen, war damit jedoch gescheitert. Ryanair hatte sich daraufhin entschieden, Leih-Piloten aus Belgien als Streikbrecher einzusetzen.
Ryanair informierte über Twitter über den «bedauernswerten, ungerechtfertigten und unnötigen Streik». Die Vereinigung Cockpit wertet den Streik dagegen als großen Erfolg.
Grund für die Arbeitskampfmaßnahmen sind Verhandlungen über ein System aus Vergütungs- und Manteltarifvertrag, das analog der Konkurrenten auch von Ryanair anerkannt werden soll. Es beinhaltet Forderungen zu Dienstzeiten, Versetzungen und Fixanteilen des Gehalts.
Ryanair erkennt erst seit Dezember 2017 Gewerkschaften überhaupt an, doch weigerte sich der größte Billig-Airliner Europas in den Verhandlungen, von seinem Niedriglohnkonzept anzurücken. Hintergrund für den Streik ist nicht zuletzt, dass Ryanair auf vorhergehende Streiks der Iren mit der Ankündigung reagiert hatte, die Arbeitsplätze nach Polen zu verlagern. Europaweite Aktionen waren daher ein folgerichtiger Schritt der Gewerkschaft.
Während Cockpit für die Piloten verhandelt, fallen die Flugbegleiter in die Zuständigkeit von Ver.di und UFO. Am 16.8. gelang es Ver.di, Ryanair die Anerkennung des deutschen Arbeitsrechts abzuringen, statt weiterhin irisches Recht als Grundlage zu nehmen.
Bislang hatte Ryanair auf dem irischen Recht als Grundlage für die Arbeitsverträge bestanden, war jedoch ins Wanken geraten, nachdem der Europäische Gerichtshof letztes Jahr entschieden hatte, dass Klagen nicht mehr automatisch abgelehnt werden, sondern im Einzelfall nationale Gerichte über ihre Zuständigkeit entscheiden können, abhängig davon, wo die Beschäftigten ihren Dienst antreten. Die Vereinbarung mit Ver.di soll jedoch erst ab 2020 gelten.
Verhandelt wird für die 1000 Ryanair-Flugbegleiter, die größtenteils über die Leiharbeitsfirmen Crewlink und Workforce angestellt sind. Nicht zuletzt geht es um niedrigere Befristungsquoten und höhere Löhne und darum, dass die deutschen Regeln zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall anerkannt werden. Bisher verdienen Flugbegleiter laut UFO gerade mal 1000 Euro netto. Bis Ende August soll Ryanair hierzu Vorschläge vorlegen.
Zusätzlichen Rückenwind erhalten die Beschäftigten durch das Flugrechteportal Flightright, das ankündigte, Schadenersatz einzuklagen, weil das Unternehmen die Flugausfälle durch die Niedriglohnpolitik selbst zu verantworten habe. Die Chancen auf Erfolg dafür werden allerdings noch kritisch gesehen, weil die europäische Gesetzgebung Streiks als externe Faktoren wertet.
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