Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2016

Die Kampagne für Bernie Sanders ist noch nicht gelaufen
von Dianne Feeley*

Die Unterstützung für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders bleibt aufrecht, obwohl nach derzeitiger Zählung der Wahlmänner eine Nominierung von Hillary Clinton immer wahrscheinlicher erscheint.

Mit seinem Eintreten für universelle Gesundheitsversorgung, kostenlose Universitätsausbildung, 15 Dollar Mindestlohn sowie eine Reform des Strafrechtssystems erfreut sich Bernie Sanders besonders bei den sog. Millennials, der Generation, die um die Jahrtausendwende und danach erwachsen wurde, großer Beliebtheit. Seine Kampagne wird von kleinen Geldgebern finanziert und er tritt dafür ein, dass den Banken, die im Zuge der Rezession gerettet wurden, aufgespalten werden.

Manche meinen, Sanders wäre der bessere Kandidat gegen Donald Trump, ein Populist ähnlichen Zuschnitts wie die Front National oder die AfD. Mit Trump verbindet ihn ein Hauptthema: die Ablehnung der Handelsabkommen.

Auch wenn es wohl nie eine Chance gab, dass ein selbstdefinierter demokratischer Sozialist Präsidentschaftskandidat werden würde, so scheint es doch so zu sein, dass die Energie seiner Kampagne fortwirken wird.

Unter anderem präsentierte er eine Form des progressiven wirtschaftlichen Populismus: Er beruft sich auf Franklin D. Roosevelts New Deal der 1930er Jahre, mit dem die Rezession überwunden wurde, und auf das sog. «Freedom Budget» der Bürgerrechtsbewegung, denn, so Sanders: Die Löhne stagnieren und nicht wenige haben mehr als einen Job, um über die Runden zu kommen.

Eine «politische Revolution»
Sanders will es leichter machen, Gewerkschaften zu bilden, und ist gegen die Pläne des Kongresses, die Post zu privatisieren. Im Gegenteil: Er möchte, dass sie um eine Bank erweitert wird, die Finanzdienstleister – die horrende Gebühren verlangen, wenn man einen Scheck einlösen will (in den USA ist der wöchentliche Bezahlungsscheck eine immer noch gebräuchliche Art der Lohnauszahlung) – außen vor lässt.

Bernie Sanders will eine «politische Revolution», er präsentiert sich nicht als Vertreter der Wähler, sondern setzt auf deren kontinuierliche politische Teilnahme. Damit ist er realistischer als Hillary Clinton, die stets damit wirbt, ihre Versprechen umsetzen zu können, was jedoch angesichts der Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus unwahrscheinlich ist. Was Clinton als umsetzbar ankündigt, ist wenig inspirierend, obwohl natürlich die Tatsache, dass sie eine Frau ist, viele inspiriert.

Wenn Sanders auftritt, vermag er viele zu begeistern. Er kritisiert das System und kündigt an, beschränkte, aber wichtige Reformen durchführen zu wollen. Es wäre jedoch nicht richtig, ihn als Antikapitalisten zu bezeichnen.

Was Afroamerikaner betrifft, hat sich Sanders von der Forderung der Bewegung Black Lives Matter nach Reparationszahlungen distanziert. Die Bewegung prangert die ungerechte Behandlung Schwarzer durch die Polizei und das Justizsystem an. Ihren Protest gegen die Masseninhaftierung Schwarzer und die wirtschaftliche Ungerechtigkeit greift er durchaus auf.

Einige prominente Schwarze wie der Regisseur Spike Lee oder Cornell West unterstützen ihn, aber Hillary Clinton hat ihre Wählerbasis in dieser Bevölkerungsgruppe weitaus besser aufgestellt.

Außenpolitik
Sanders hat Hillary Clintons Zustimmung zum Irakkrieg im Jahr 2003 hart kritisiert, nicht jedoch ihre anderen militaristischen Entscheidungen. Wie Clinton lehnt er den Einsatz von Bodentruppen in der derzeitigen Krise im Nahen Osten ab, unterstützt jedoch Kriegführung per Drohneneinsatz und schweigt zu den Brutalitäten der US-Verbündeten Saudi-Arabien, Türkei und Ägypten. Er vermeidet eine Kritik der US-Interventionen und ruft Washington dazu auf, «mit den muslimisch geprägten Ländern gemeinsam eine Strategie gegen den IS zu finden», wobei er nicht genauer sagt, wie er sich das vorstellt. Er bleibt im Rahmen der US-Politik im Nahen Osten und unterstützt Israel.

Die Medien haben bislang weder Clinton noch Sanders danach befragt, was in Zentralamerika geschehen soll, von wo viele in Richtung USA fliehen.

Politische Laufbahn
Sanders begann seine Laufbahn als Bürgermeister von Burlington, Vermont. Das ist eine kleine Stadt in einem kleinen Staat, jedoch eine Arbeiterstadt, in der er ein effizienter Verwalter war und offen für innovative Ideen. Nach einigen Legislaturperioden als Bürgermeister wurde er Mitglied des US-Repräsentantenhauses und später Senator.

Er trat stets als unabhängiger Kandidat an, gemäß der ungewöhnlichen Tradition des Staates Vermont, wo Kandidaten außerhalb des Zwei-Parteien-Systems kandidieren. Er war sowohl bei den Progressiven als auch bei Konservativen erfolgreich. Sie stimmten zwar nicht immer mit ihm überein, sahen ihn jedoch stets als nicht korrupten Kandidaten, dem die Anliegen der einfachen Leute am Herz lagen.

Bevor er auf der Liste der Demokraten antrat, überlegte Sanders, als unabhängiger Kandidat anzutreten, entschied sich dann aber für das Ticket der Demokraten – was impliziert, dass er am Ende die siegreiche Kandidatin unterstützt.

Sanders und die Arbeiterbewegung
In Sanders Wahlkomitee gibt es rund 10000 Gewerkschafter, die sein Programm in den örtlichen Gewerkschaftsgremien vertreten. In der Regel unterstützen die Gewerkschaften die Demokraten ohne viel interne Debatten. Diesmal ließen sie aber offen, welchen Kandidaten sie in den Vorwahlen unterstützen, und so gab und gibt es Raum für Debatten.

Sanders wird mittlerweile von den Medien ernst genommen. Am meisten Gegenwind erhält er in bezug auf die Umsetzbarkeit seines Programms. Clinton präsentiert sich da als «Realistin, die was auf die Reihe kriegt», gegenüber dem Utopisten.

Wie viele Unterstützer von Bernie Sanders am Ende für die Demokraten stimmen, zu Hause bleiben oder sich für Jill Stein entscheiden, die von der Green Party nominiert werden will, ist unklar. Stein steht Bernie am nächsten, anders als er ist sie sehr kritisch gegenüber der US-Außenpolitik und hat ein besseres Verständnis dafür, wie Rassismus im amerikanischen Alltag funktioniert.

Stein will in allen 50 Staaten antreten und hält Sanders-Unterstützern eine Tür offen. Natürlich sind da auch noch die Republikaner, und da die USA traditionell ein Zwei-Parteien-Land sind, werden wohl viele meinen, das «kleinere Übel» wählen zu müssen.

Am 1.April organisiert Labor for Bernie das erste Treffen in Chicago – das ist kurz vor der zweijährlichen Labor-Notes-Konferenz, die traditionell von rund tausend Gewerkschaftern besucht wird. Interessanterweise gehören viele Sanders-Unterstützer zu denen, die beim kurzlebigen Versuch der Gründung einer Labor Party dabei waren. Es könnte sein, dass aus Labor for Bernie eine Initiative entsteht, in der, auch gemeinsam mit den Gewerkschaften, gründliche Diskussionen über künftige Kriterien für die Unterstützung von Präsidentschaftskandidaten stattfindet.

Ein wichtiger Labor-for-Bernie-Aktivist meint dazu: «Unabhängig davon, ob Bernie Kandidat der Demokraten wird oder nicht, besteht die Herausforderung darin, neue politische Strukturen in der Arbeiterbewegung zu schaffen – vielleicht sogar eine neue Partei –, die die ‹politische Revolution› bei den Wahlen in den Bundesstaaten und in den Gemeinden fortführt. Wenn das das Ergebnis von Sanders’ Kampagne ist, müssen wir ihm für lange Zeit dankbar sein.»


* Dianne Feeley ist Mitglied der sozialistischen Organisation Solidarity und Redakteurin von deren Zeitschrift Against the Current (www.solidarity-us.org).

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