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Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2013

von Birger Scholz

Die niedergehenden Oligopolisten machen den forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien für die steigenden Energiepreise verantwortlich. Das ist verständlich, schließlich macht die Energiewende aus den Kohle- und Atomkonzernen Sanierungsfälle. Die Gegenposition nehmen die aufstrebenden Ökokapitalisten ein. Sie verweisen auf die Privilegien der stromintensiven Industrien und den preisdämpfenden Merit-Order-Effekt der Erneuerbaren.
Beide Positionen sind interessengeleitet und nur in Teilen richtig. Auch wenn ab 2013 von der EEG-Umlage die Industrieprivilegien und der Merit-Order-Effekt abgezogen werden, bleibt die Umlage mit 3,2 Cent auf hohem Niveau.
Die Kosten der Energiewende erstrecken sich nicht allein auf die direkte Subventionierung der Erneuerbaren, sondern auch auf den nötigen Ausbau der Verteil- und Übertragungsnetze.
So schätzt die Deutsche Energieagentur (Dena) die Kosten nur für die Verteilernetze in den nächsten 18 Jahren auf bis zu 42 Mrd. Euro. Bei den Übertragungsnetzen werden für die 51 im Netzentwicklungsplan vorgesehenen Projekte Kosten von 20 Mrd. Euro veranschlagt. Bei aller Kritik an Details (so sollen offenkundig auch Braun- und Steinkohlekraftwerke angebunden werden, damit E.on und RWE in Zukunft Kohlestrom ins Ausland exportieren können) gibt es zum Netzausbau keine realistische Alternative.
Die EU-Kommission schätzt die Ausbaukosten für Verteil- und Übertragungsnetze auf etwa 2 Cent und die Gesamtkosten der Energiewende auf 4–6 Cent pro Kilowattstunde. Panikmache im Interesse der Atomlobby? Ich bin da skeptisch, zumal ein weiteres Problem geschultert werden muss.
Die Energiewende benötigt dringend flexible Gas- und Dampfkraftwerke (GuD), am besten mit Fernwärme, um die starken Schwankungen der Erneuerbaren auszugleichen und den Neubau von Kohlekraftwerken zu verhindern. Der enorme Ausbau der Erneuerbaren führt jedoch dazu, dass die Zeiten, in denen Gaskraftwerke profitabel arbeiten, massiv zurückgehen. Für bestehende Kraftwerke lohnt sich zwar noch der Weiterbetrieb, der Neubau ist jedoch aktuell nicht lohnend, da die rückläufigen Betriebszeiten nicht die gesamten Investitionskosten decken.
Die massiv gefallenen Preise für CO2-Zertifikate verschärfen das Problem. Es tritt in allen liberalisierten Energiemärkten auf und kann als Marktversagen interpretiert werden. Eine mögliche Antwort hierauf sind Kapazitätsmärkte, in denen Unternehmen dafür bezahlt werden, Kapazitäten vorrätig zu halten. Eine andere Möglichkeit wären Investitionszuschüsse. Denkbar wäre auch die künstliche Verteuerung des Kohle- und Atomstroms durch eine Primärenergiesteuer bzw. eine massive Verteuerung der CO2-Zertifikate.
Ich persönlich halte die Idee der Ausdehnung des EEG-Fördermechanismus auf neue GuD-Kraftwerke mit Wärmekopplung für die spannendste Idee. Und wenn wir dabei sind: Auch der Ausbau der Stromspeicher – welche technische Lösung auch immer präferiert wird – kostet viel Geld.
Kurzum: Die Energiewende ist nicht zum Nulltarif zu haben. Investitionen müssen bezahlt werden, die Frage ist nur, von wem. Das ist eigentlich eine simple Erkenntnis, die zudem in Fachkreisen unstrittig ist. Dumm nur, dass der bestehende Regulationsmechanismus die Ausbaukosten über Umlagen auf alle Verbraucher abwälzt. Das ist der verteilungspolitische Skandal der Energiewende.
Im innerlinken Diskurs werden die nötigen Kosten entweder komplett ausgeblendet oder schöngeredet. Beliebt ist auch, auf die enormen Subventionen für die Atomkraft der vergangenen 50 Jahre zu verweisen. Ja, das war viel Geld, aber es ändert nichts an den nötigen Investitionen für die Energiewende im hier und jetzt. Exemplarisch für diese Haltung ist der Artikel «So kann die Energiewende gehen» (SoZ 12/2012). Voller Begeisterung (zu Recht!) wird die Energiewende in München beschrieben. Doch wie die Kosten aufgebracht werden sollen, darüber verliert der Autor keine Silbe. Stattdessen wird am Ende des Artikel das Problem mit einem Federstrich gelöst: Die großen Stromerzeuger und auch die Netze werden vergesellschaftet und die Gewinne aufgeteilt.
Mal abgesehen davon, dass es fraglich ist, ob die vier Oligopolisten in absehbarer Zeit in Deutschland noch prächtige Gewinne einfahren (sie sind bekanntlich die Verlierer der Energiewende), bietet diese Wünsch-dir-was-Forderung keinerlei Anknüpfungspunkte für die aktuelle Strompreisdebatte.
Ähnlich auch die Linksfraktion im Bundestag. Erst wurde in 2011 der Anstieg der EEG-Umlage geleugnet, dann hektisch die Senkung der Stromsteuer (Ökosteuer) auf 0,5 Cent gefordert. Es bleibt mir weiter ein Rätsel, warum der EEG-Soli der NRW-LINKEN nicht längst übernommen wurde (siehe SoZ 11/2012). Diese Forderung verbindet den nötigen Ausbau der Erneuerbaren Energien mit der Finanzierung nach Leistungsfähigkeit. Die Einführung einer Primärenergiesteuer oder die Senkung der Stromsteuer ist hierzu kein Widerspruch.
Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zeigen die Umverteilungswirkung eines EEG-Soli: Die untere Hälfte der Einkommensbezieher wird deutlich entlastet, die obere Hälfte belastet. Bei einer unterstellten Umlage von 5 Cent steigt die Belastung bei einem Single im obersten Dezil von 135 Euro auf 267 Euro. Im untersten Dezil sinkt die Belastung von 129 Euro auf 2 Euro. So ließe sich die Energiewende mit links finanzieren. Warum wird diese Rechnung vom IW und nicht von der Linksfraktion erstellt?

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