Das kriegsgebeutelte Land soll Milliarden zurückzahlen
dokumentiert
Im Streit über einen Schuldenschnitt setzen die Gläubiger ihre Profitinteressen durch
Am 22.Juli unterzeichnete die Ukraine eine Einigung mit ihren privaten Anleihegläubigern über Vorkriegsforderungen, auf die die Ukraine seit August 2022 keinen Schuldendienst leisten musste. Das Moratorium sollte zum 1.August auslaufen. Die ukrainische Regierung hatte einen Schuldenschnitt von 60 Prozent gefordert. Erreicht hat sie ganze 37 Prozent.
Die Kampagne »Entwicklung braucht Entschuldung«, erlassjahr.de, hat in einer Stellungnahme auf ihrer Webseite die Vereinbarung scharf kritisiert. Dort heißt es:
«Der Internationale Währungsfonds hatte das Angebot der ukrainischen Regierung im Hinblick auf die Schuldentragfähigkeit der Ukraine abgesegnet. Doch private Anleger, darunter BlackRock, PIMCO, Fidelity und Alliance Bernstein weigerten sich, den geforderten Erleichterungen zuzustimmen. Die Möglichkeit eines Zahlungsausfalls stand im Raum.« Am 22.Juli hat die Ukraine nun überraschend einem Schuldenschnitt von gerade einmal 37 Prozent zugestimmt.
Kristina Rehbein, Politische Koordinatorin von erlassjahr.de, kommentierte das so: »Die Anleger haben die Ukraine dazu gebracht, klein beizugeben. Der letztendliche Schuldenschnitt ist viel zu gering.« Aus Sicht von erlassjahr.de wären angesichts der aktuellen Lage sogar deutlich umfassendere Schuldenstreichungen als die ursprünglich von der Ukraine vorgeschlagenen 60 Prozent notwendig gewesen.
Nach Berechnungen der Kampagne fallen die Streichungen faktisch aber noch deutlich niedriger aus als öffentlich verkündet: »Die Anleger haben für das zweijährige Schuldenmoratorium seit 2022 saftige Zinsen im Umfang von 3,7 Milliarden US-Dollar berechnet. Diese schlucken einen Teil der Schuldenstreichung und reduzieren den Schuldenschnitt von den öffentlich kommunizierten 37 Prozent effektiv auf gerade einmal 25 Prozent.«
Darüber hinaus sei vereinbart worden, dass die Anleger weiter profitieren, wenn sich die Wirtschaft der Ukraine bis 2028 besser entwickelt als vom IWF prognostiziert. Dann erhielten die Gläubiger bis zu 2,8 Milliarden US-Dollar Tilgungszahlungen zusätzlich. »Dadurch kann der tatsächliche Schuldenschnitt auf knapp 11 Prozent gedrückt werden. Gleichzeitig gibt es jedoch keine Vereinbarung, dass die Ukraine weniger Schulden zurückzahlen muss, wenn sich die Wirtschaft schlechter entwickelt als vom IWF prognostiziert. Eine Entwicklung, die wir auch in anderen Schuldenrestrukturierungen aktuell beobachten.«
Die jetzige Einigung verschaffe der Ukraine kurzfristig Luft zum Atmen. Doch Berechnungen von erlassjahr.de zeigen, dass die Ukraine schon bis einschließlich 2027 insgesamt über eine Milliarde US-Dollar Zinsen zahlen muss. Ab 2029 werden bereits erste Tilgungszahlungen fällig, wodurch die Zahlungen noch einmal deutlich ansteigen. Malina Stutz, politische Referentin der Kampagne, sagt dazu: »Mit der Unterstützung eines kriegsgebeutelten Landes hat dieser Deal nichts zu tun – wohl aber mit dem Schutz der Profitinteressen der Gläubiger.«
Kristina Rehbein sieht öffentliche Akteure in der Pflicht: »Mit moralischen Argumenten können widerspenstige Anleihehalter nicht von hohen Schuldenstreichungen überzeugt werden – das hat noch in keiner Schuldenkrise funktioniert. Der IWF und öffentliche Akteure wie die Bundesregierung spielen jedoch trotzdem eine wichtige Rolle bei Umschuldungsverhandlungen mit Anleihehaltern. Sie sollten Schuldnerstaaten wie die Ukraine politisch, finanziell und rechtlich bei der Durchsetzung umfassender Schuldenerlasse mit ihren Anleihehaltern unterstützen.«
Rehbein appelliert an das Interesse westlicher Staaten, dass der ukrainische Staat nicht durch einen hohe Schuldendienst weiter destabilisiert wird: »Der IWF und die westlichen Staaten dürfen sich nicht zu Komplizen der Anleihehalter machen und den Deal als ausreichend einstufen.«
Erlassjahr.de fordert, dass die Bundesregierung unmittelbar Maßnahmen ergreift, um umfassende Schuldenstreichungen durchzusetzen. »Es ist dringend geboten, dass in Deutschland endlich ein Gesetz verabschiedet wird, das die Beteiligung privater Gläubiger an umfassenden Schuldenstreichungen sicherstellt.«
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