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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 11/2023

Vergiss Meyn nicht, Deutschland 2023, Dokumentarfilm. Regie: Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl, Jens Mühlhoff
von Peter Nowak

Am 19.September 2019 stürzte der Student der Medienakademie Köln, Steffen Meyn, im Hambacher Forst von einem Baum in den Tod. Er wollte eine Langzeitdokumentation über die Besetzung des Hambacher Forsts drehen. Als er starb, fand ein Polizeieinsatz statt, den er im Baumhaus dokumentieren wollte.
Vier Jahre nach seinem Tod haben Freund:innen und Kommiliton:innen mit dem Film Vergiss Meyn nicht seine Arbeit vollendet.

Sie verwenden Meyns Filmmaterial und ergänzen es durch Interviews mit Besetzer:innen. So wird an den Medienaktivisten Meyn erinnert, der seine Sympathie mit den Besetzer:innen nie verleugnete und trotzdem seine Kritikfähigkeit nie verloren hat. Es gibt in dem Film eine Szene, wo er nach einer Auseinandersetzung um die Gewaltfrage den Forst verlässt und am Schluss das Presseschild von der Windschutzscheibe seines Wagens entfernt. Doch seine dort geknüpften Freundschaften sorgten dafür, dass Meyn bald wieder mit seiner kleinen Kamera, die in seinen Helm montiert war, im Hambacher Forst zu sehen war – bis zum verhängnisvollen 19.September 2019.

Die Vorgeschichte
Der Film erinnert an den Kampf gegen die Kohleabbaggerung von RWE und Co. Der hat aber schon lange vor der Waldbesetzung begonnen. Die Brandfilme dokumentieren diesen Widerstand gegen die Projekte von RWE und Co. im Hambacher Forst.
Regisseurin ist die Videokünstlerin Susanne Fasbender. Sie zeigt, dass sich seit den 70er Jahren Anwohner:innen gegen die Pläne von Rheinbraun wehrten, wie das Konzerngeflecht von RWE und Co. damals hieß. Sie fanden auch die Unterstützung von Umweltgruppen, die sich damals gründeten. Verheizte Heimat lautete der Titels eines Buch, das in den 70er Jahren herausgegeben und viel gelesen wurde. Susanne Fasbender zitiert aus dem Buch, aber auch aus einem Schulbuch aus dem Jahr 1980, in dem über die Proteste der Anwohner:innen berichtet wurde.
Doch zwischenzeitlich waren sie in Vergessen geraten. Fasbender gelingt es, einige der damaligen Protagonist:innen vor die Kamera zu holen. Sie sind noch Jahrzehnte später erschüttert über die Kaltschnäuzigkeit, mit der ein Vertreter von Rheinbraun auf die Frage eines Bewohners antwortete, was sie machen wollten, wenn sich die Bewohner:innen weigerten, ihre Dörfer zu verlassen. »Dann werden sie enteignet«, habe der Mann erklärt, sagt eine der Bewohnerin, die bei der Versammlung anwesend war. Sie kann sich noch immer an die wegwerfende Handbewegung erinnern, die der Konzernvertreter dabei machte.
Für RWE und Co. war der Protest der Bewohner:innen ein lästiges Hindernis, das so schnell wie möglich entsorgt werden sollte. Zunächst schien ihr Kalkül aufzugehen. Die Bewohner:innen waren eingeschüchtert und in den 70er Jahren war es nur eine Minderheit, die sich für Klima- und Umweltbelange einsetzte. Einige der Menschen, die Fasbender interviewt hat, sprechen davon, wie sehr sie auch psychisch gelitten haben, weil sie den Eindruck hatten, dass sie den Kapitalstrategien ausgeliefert sind. Einige empfinden es daher als späte Genugtuung, dass nun seit mehr als zehn Jahren Klimaaktivist:innen den Hambacher Forst wieder in den Fokus der gesellschaftlichen Auseinandersetzung gerückt haben. »Die Besetzer:innen haben uns Bürger:innen das Gefühl gegeben, dass wir ein Stück des Waldes zurückerlangt hatten«, sagt eine langjährige regionale Aktivistin im Film.

Die Kämpfe verbinden
Der dritte Teil der Brandfilme ist dem aktuellen Widerstand im Hambacher Forst gewidmet. Hier sehen wir die Baumhäuser und die meist jungen Klimaaktivist:innen, die über ihre Motivation berichten, den Wald zu besetzen. Die meisten von ihnen werden nicht gewusst haben, dass schon vor vier Jahrzehnten Menschen aus der Region den Kampf gegen die Abbaggerung führten. Daher sind die beiden ersten Teile der Trilogie so wichtig.
Die Brandfilme erzählen die unterbrochene Geschichte und stellen damit eine Kontinuität der Kämpfe her, die die herrschenden Staatsapparate gerne verhindern würden. Damit wird auch ein häufig gebrauchtes, reaktionäres Argument widerlegt, dass die jungen Klimaaktivist:innen in eine Region kommen, in der sie keine Unterstützung haben.
Der Fotograf Elliot Kreyenberg, der verschiedene Waldbesetzungen dokumentiert hat, schreibt zu seiner Fotoserie »Endzeit-2021-22«, in der er die Waldbesetzung im Dannenröder Forst in Hessen dokumentiert: »Die Besetzung bildete den Höhepunkt eines Protestes, der bereits 40 Jahre vorher begann, als kleine Gruppen von Einwohner:innen der umliegenden Dörfer begannen, gegen die geplante Räumung zu protestieren, die Platz für den Bau einer mehrspurigen Autobahn schaffen sollte.«
Peter Nowak

Brandfilme ist eine Free-media-Plattform für aktivistische und künstlerische Filme und wurde von der Videokünstlerin Susanne Fasbender im Zuge der Veröffentlichung der Filmtrilogie BRAND im Jahr 2018 gegründet.

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