Ein aufrechter Gang
von Rolf Euler
Die Oberstaatsanwältin Frau Brorhilker ist aus dem Dienst ausgeschieden. Sie hat Dutzende von Cum-Ex-Strafverfahren geleitet. Sie hatte tiefe Einblicke in die Finanzverbrechen der reichen Deutschen und ihrer Banken und Steuerberatungen. Sie hatte die Nase voll vom Umgang des deutschen Staats mit diesen Steuerbetrügern. Sie arbeitet nun als Geschäftsführerin für »Finanzwende«, eine Bürgerrechtsbewegung.
Und sie hat – ohne verbotenerweise Interna auszuplaudern – mit heftiger Kritik an der Reaktion von Behörden und Politik auf den Cum-Ex-Skandal die Öffentlichkeit aufgescheucht.
Offensichtlich ist die Rückforderung nicht gezahlter Steuern kein »Finanztrick«, sondern von Anfang an illegal, wie der Bundesfinanzhof 2015 urteilte. Aber nach diesem Urteil wurden nicht etwa die Finanzbehörden tätig, um die unrechtmäßig erworbenen, öffentlichen Mittel zurückzufordern. Damals war Wolfgang Schäuble Bundesfinanzminister, und das Ministerium erfand den Begriff »positive Vorsteuerrendite«, um entgegen dem Urteil einen legalen Schein für diese Tricks aufzubauen. Die Finanzlobby im oder am Ministerium hatte da Erfindungsgeist gezeigt und dem Staat um die 28,5 Milliarden Euro »geklaut«, die mit den weiterhin erfolgenden Cum-Cum-Geschäften abflossen.
Finanzwende fragte bei den beteiligten Bundes- und Landesministerien nach und bekam geschwärzte Papiere. »Funktionsfähigkeit der Verwaltung« oder Gefährdung »des Kernbereichs der Exekutive« waren wohl die Ausreden, wie Finanzwende sagt. Außerdem hieß es über die Cum-Cum-Steuerbetrüger, dass »bei Bekanntwerden ihrer Beteiligung ein nicht unerheblicher Imageschaden« drohe. Hier zeigt sich der Rechtsstaat unwillig, milliardenschweren Steuerbetrug massiv zu verfolgen, aber er eröffnet das publizistische Feuer auf die absolute Minderheit von Menschen, denen »Sozialbetrug« vorgeworfen werden könnte.
Frau Brorhilker hat hier ein Rückgrat bewiesen, das an die Veröffentlichung des Watergate-Skandals oder der »Panama-Papers« erinnert. Die Skandale von Flick über Kohl bis heute sind aufrechten Menschen im Staatsdienst so zuwider, dass sie auf Pensionsansprüche verzichten zugunsten der Möglichkeit, Gerechtigkeit von außen einzuklagen. Hut ab, Frau Brorhilker.
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