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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 10/2024

Auf Tour
von Gerhard Klas

José Henrique Bortoluci: Was von meinem Vater bleibt. Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Maria Hummitzsch. Berlin: Aufbau, 2024. 175 S., 20 Euro

Lkw-Fahrer sind das Rückgrat des zerstörerischen Fortschrittsmodells in Brasilien. Der Soziologe José Henrique Bortoluci hat eine essayistische Biographie über seinen Vater geschrieben, der jahrzehntelang Waren durch das riesige Land transportiert hat.
Bortolucis Vater gehört zu den Menschen, die in Geschichtsbüchern normalerweise keine Erwähnung finden – wie diejenigen, die die großen Monumentalbauten mit ihrer Hände Arbeit errichtet haben oder für ihre Herrscher in den Krieg gezogen sind. Als Lkw-Fahrer hat er seit den 80er Jahren Waren und Soldaten transportiert, zur Erschließung und Ausbeutung des Amazonasurwalds.
Der Traum von der Unabhängigkeit platzte nicht nur bei seinem Vater schon nach kurzer Zeit: Die enormen Schulden für den Lkw waren eine ständige Last, ebenso die langen Fahrtzeiten, das beschwerliche Laden- und Entladen, die Einsamkeit. Nur selten hat Bertoluci als Kind seinen Vater gesehen. Manchmal war er zwei Monate am Stück auf Tour. Als er im Alter an Krebs erkrankt, nutzt der Sohn die gemeinsame Zeit für lange Interviews mit seinem Vater.
Vor allem unter der Militärdiktatur – und bis vor kurzem auch noch unter Bolsonaro – wurde dem Vater und seinen Kollegen die Abholzung des Regenwalds als notwendiger Beitrag zu kollektivem Fortschritt und würdevollem Leben verkauft.
Bortoluci beschreibt ihn ohne moralische Wertung. So kommen auch Geschichten von Solidarität unter den Lkw-Fahrern und ihre Konflikten mit dem Militär zur Sprache. Der studierte Soziologe begegnet seinem Vater, der früh die Schule abgebrochen hat, mit viel Verständnis und Respekt.
Bortoluci fordert seine Leserinnen und Leser intellektuell heraus und berührt sie gleichzeitig emotional. Sein schriftstellerisches Debüt erinnert an Werke der französischen Soziologen Didier Eribon und Eduard Louis, denen Ähnliches gelungen ist. Was von meinem Vater bleibt wurde in zehn Sprachen übersetzt.

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