Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2017

Kann DIE LINKE das nutzen?
von Manuel Kellner

Der Hype um Martin Schulz als Spitzenkandidat der SPD ist schnell verklungen, die Krise der SPD setzt sich ungebrochen fort. Vom Niedergang der SPD zu sprechen ist keine Übertreibung. Ihr bestes Nachkriegsergebnis bei Bundestagswahlen hatte sie 1972 mit 45,8 Prozent, ihr bislang schlechtestes 2009 mit 23 Prozent. Bei den Umfragen für die Bundestagswahlen am 24.September 2017 liegt sie je nach Institut bei 23–24 Prozent. 1990 hatte sie fast 950000 Mitglieder, 2016 waren es nur noch 432000.

Tatsache ist: Die SPD hat sich von den Hartz-Gesetzen nicht mehr erholt, sie will davon aber auch nicht mehr weg. Der Einschnitt in den gesellschaftlichen Zusammenhalt war so tief, dass 2003 zahlreiche Gewerkschaftsmitglieder und Sozialdemokraten der Partei den Rücken kehrten und einen Prozess anschoben, der zur Gründung der Partei DIE LINKE führte. Links von SPD und Grünen gibt es seither bundesweit eine linke Alternative, die stabil über 5 Prozent bei Bundestagswahlen liegt. Derzeit geben ihr die meisten Umfragen 9 Prozent bei den Wahlen am 24.September.

Die gebetsmühlenartig von Martin Schulz vorgetragene Forderung nach «mehr Gerechtigkeit» ist so abstrakt geblieben, dass keiner sie mehr ernst nimmt. Das Wahlprogramm der SPD und die Vorschläge des Spitzenkandidaten sind weder ein Bruch mit der Agenda 2010, noch versprechen sie ernste soziale Verbesserungen. Wer seinen Job verliert und nach drei Monaten keinen neuen hat, soll ein Recht auf Weiterbildung haben. Während der Weiterbildung bekommt er oder sie ein neues Arbeitslosengeld Q in Höhe des normalen Arbeitslosengelds. Insgesamt wird damit die Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld I etwas verlängert. Die angestrebte allgemeine Bürgerversicherung wäre ja ein Fortschritt, aber auch eine Kampfansage an die zunehmende Privatisierung der Gesundheits- und Altersvorsorge, die auch Andrea Nahles als noch amtierende Arbeits- und Sozialministerin weiter vorangetrieben hat (siehe S.6). Steuerpolitisch sollen untere und mittlere Einkommen entlastet und der Spitzensteuersatz auf 45 Prozent angehoben werden. Doch vor der Wiedereinführung der Vermögensteuer ist die SPD wieder einmal zurückgeschreckt. Da sie auch nicht auf eine Koalition links der Unionsparteien setzt, also allenfalls wieder als Juniorpartnerin der CDU/CSU in eine nächste Bundesregierung einziehen kann, ist nur mit weiteren Abstrichen an den ohnehin bescheidenen Versprechungen zu rechnen.

Ohne Bruch mit der Agenda 2010 kann die SPD ihren Niedergang nicht stoppen. Das ist weiterhin die Chance für DIE LINKE, vor allem mit Vorschlägen für mehr soziale Gerechtigkeit zu punkten – in dieser und in vielen anderen Fragen steht sie zum Glück konträr zur etablierten Politik. Grund genug, ihr bei der Wahl am 24.September die Stimme zu geben. In den Bundesländern, in denen sie regiert oder mitregiert, unterscheidet sich ihre Praxis allerdings kaum von den etablierten Parteien – zuletzt wieder in Brandenburg, wo sie von ihrem Klimaschutzplan abgerückt ist, um den Braunkohleabbau nicht zu gefährden. Das schadet ihrer Glaubwürdigkeit und sagt uns: Mit der Stimme gegen die Parteien, die dem Neoliberalismus verschrieben sind, ist es nicht getan. Systemwandel bleibt Handarbeit.

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