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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 03/2016
Drei Jahre betriebliche Selbstverwaltung
von Hans Bürger

Mitte Februar (13./14.2.) feierte VIO.ME sein dreijähriges Bestehen als selbstverwalteter Betrieb – mit Workshops und Musik.

Seit 2013 produziert die Belegschaft in eigener Regie umweltfreundliche Seifen und Reinigungsmittel ohne chemische Zusätze. Inzwischen hat der Betrieb offiziell den Status einer Sozialkooperative mit eigener Steuernummer erlangt. Die Produkte werden ohne Zwischenhändler auf informellen Märkten und in sozialen Zentren in Griechenland vertrieben. Eine breite internationale Solidartätsbewegung unterstützt das Projekt durch Spenden und durch die Abnahme der Produkte.
Im Oktober 2015 hatte einer der Gläuber der Muttergesellschaft (Filkeram Johnson) die Liquidation der Insolvenzmasse beantragt, woraufhin die griechische Justiz die Eröffnung der Zwangsversteigerung angeordnet hatte. Die Immobilien der ehemaligen Unternehmensgruppe sollten versteigert werden. Die Muttergesellschaft hatte VIO.ME regelrecht ausgeplündert. Deshalb fordern die Kollegen von VIO.ME immer noch die gerichtliche Untersuchung der Kontobewegungen der Eigentümerin (die Familie Filippo) der letzten 15 Jahre ausserhalb der Geschäftsbuchführung der Firmengruppe. Das Betriebsgelände von VIO.ME macht etwa ein Siebtel des gesamten Grundstücks aus. Der Standort liegt am äußeren Rand, eine Abtrennung vom Rest des zu versteigernden Grundstücks würde deshalb keine Schwierigkeiten bereiten.
Mehrere Parzellen der Immobilie wurden dem Unternehmen bei seiner Gründung bereits als Belohnung für die Schaffung von Arbeitsplätzen vom Staat geschenkt. Deshalb ist die Forderung der Belegschaft, ihr zumindest das Betriebsgelände zu überlassen, gerechtfertigt. Die Zwangsversteigerung von Filkeram Johnson würde das Ende von VIO.ME bedeuten.
Von Anfang an hatte VIO.ME gegen die Zwangsvollstreckung juristischen und vor allem politischen Widerstand geleistet. Die Belegschaft war bei allen Gerichtsterminen in großer Zahl präsent, sie hatte auch die griechische und interntionale Solidarität mobilisiert. Vor allem von den internationalen Solidaritätsbekundungen waren die Arbeiter regelrecht überwältigt! Eine Dankeserklärung erschien auf ihrer Webseite (viome.org).
Der politische Druck, den VIO.ME aufgebaut hat, veranlasste 43 SYRIZA-Abgeordnete zu einer parlamentarischen Anfrage, in der sie Solidarität mit dem Betrieb forderten. Inzwischen wurde die erste Runde der Zwangsversteigerung mit fünf Gerichtsterminen ohne Ergebnis abgeschlossen.
Am 14.12.2015 hatte die Regierung SYRIZA eine Gesetzesinitiative zur Bekämpfung der humanitären Krise vorgelegt. Wenige Tage später wurde er auf Druck der Troika wieder zurückgezogen. Das Paket sah vor, dass u.a. auch VIO.ME von der Zwangsversteigerung verschont bleiben sollte. Trotzdem wurde das Verfahren der Zwangsliquidation vorläufig durch einen Gesetzgebungsakt gestoppt worden. Er gilt für drei Monate, bis auch das Parlament ihn genehmigt.
Bemerkenswert an VIO.ME ist, dass dieser Betrieb mit einer so kleinen Belegschaft (21 Personen) es geschafft hat, trotz großer Hindernisse eine alternative Produktion zu entwickeln, und darüber hinaus nationale und internationale Aufmerksamkeit zu wecken. Der Name VIO.ME steht für folgende Prinzipien: horizontale und direkte Demokratie – alle Entscheidungen werden ausschließlich von der Betriebsversammlung gefällt. Dieser Grundsatz ist Kernstück der Selbstverwaltung. Außerdem bekommen alle Kollegen den gleichen Lohn, der Arbeitsablauf funktioniert auch ohne Boss reibungslos. Darüber hinaus unterstützt die Belegschaft aktiv andere gewerkschaftliche und soziale Projekte: betriebliche Abwehrkämpfe, die Kampagne gegen die Sonntagsarbeit, den Kampf gegen den Goldabbau auf Chalkidiki, die Flüchtlingshilfe und den Kampf gegen Rassismus sowie die Sozialklinik in Thessaloniki.

Der Autor ist aktiv im Griechenlandsolidaritätskomitee in Köln.

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