Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 06/2023

Für den 4-Stunden-Tag! Bei vollem Lohn- und Personalausgleich! Zahlen muss das Kapital!
von Jürgen Stander

Die 4-Stunden-Liga ist ein Bündnis, das sich vor sieben Jahren an die Aufgabe machte, den Kampf um die radikale Arbeitszeitverkürzung in die Gesellschaft zu tragen.
https://4hour-league.org
Kontakt: 4-stunden-liga-nrw@riseup.net

Die Gründung der 4-Stunden-Liga 2016 in Kassel war eine entschiedene Reaktion auf das – einmal mehr – von Arbeitgeberverbänden und Politik vorgetragene ideologische Gewäsch, die Arbeitszeit flexibilisieren zu wollen, weil Arbeitszeitgesetz und Achtstundentag nicht mehr zeitgemäß seien.
Ganz klar: Dem kann man nur mit einer wirklich progressiven Forderung in die Suppe spucken, die sich wenig von den Zumutungen des Zeitgeistes beeindrucken lässt. Die Liga war geboren und das Ziel formuliert: Wir werden keine Gelegenheit auslassen, um laut über radikale Arbeitszeitverkürzung nachzudenken; die Forderungen dafür sind klar und einfach formuliert: 

Mit der Arbeitszeitverkürzung wird zunächst einmal nur ein Thema in den Fokus genommen, bei näherem Hinsehen ergeben sich jedoch zahlreiche Anknüpfungspunkte.
Wir streiten für die gemeinsame Wiederaneignung unserer Zeit im Hier und Jetzt. Wir stellen uns damit ganz bewusst in die Fußstapfen der klassischen Arbeiter:innenbewegung und ihrer Kämpfe um Zeit. Aber nicht nur das. Wir brauchen mehr Zeit, um patriarchale Strukturen aufzubrechen und für eine geschlechtergerechte Neuverteilung unbezahlter Sorge- und Reproduktionsarbeit zu kämpfen. Wir brauchen mehr Zeit, um uns aktiv in das politische Geschehen einzubringen, unser Leben sowie unsere Gesellschaft im emanzipatorischen Sinne zu gestalten und dem Raubbau an Mensch und Natur ein Ende zu setzen.
Wir brauchen mehr Zeit, um uns als Mensch zu entfalten, um eine freie Individualität entwickeln zu können. Wir müssen aber auch weniger und kürzer arbeiten, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren und damit den ökologischen Grenzen unseres Planeten Rechnung zu tragen.
Deshalb kämpfen wir für eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit. Die objektiven Bedingungen dafür sind vorhanden: Eine hohe und kontinuierlich ansteigende Arbeitsproduktivität (ohne eine entsprechende Steigerung der Löhne und das seit Jahrzehnten) sowie ein enormer gesellschaftlicher Reichtum.
Allein, der Gedanke muss noch zur materiellen Gewalt werden – anders ausgedrückt: Wir müssen uns vernetzen und organisieren, gemeinsam Haltungen entwickeln, uns Strategien des politischen Handelns aneignen, um schließlich unseren Einfluss auszubauen … in der Wirtschaft, in der Politik, in der Gesellschaft … einfach überall!
 
Eine tarifpolitische Forderung…
Als tarifpolitische Forderung der Gewerkschaften zielt der 4-Stunden-Tag auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen – auf mehr Zufriedenheit, mehr Gesundheit und mehr Beschäftigung bei weniger Arbeit für die Einzelnen. Die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich erlaubt mehr Gleichberechtigung für unterschiedliche Lebenslagen. Alleinerziehende, die häufig nur in Teilzeit arbeiten können, entgehen durch die »kurze Vollzeit« dem hohen Armutsrisiko, mit dem sich insbesondere Frauen konfrontiert sehen. Der hohe Beschäftigungsstand durch den vollen Personalausgleich führt zu einer massiven Stärkung der Beschäftigten, zu mehr Mitbestimmung und mehr Kontrolle von unten.

…ein gesellschaftspolitisches Projekt…
Als gesellschaftspolitisches Projekt ist der 4-Stunden-Tag eine zukunftsorientierte, solidarische und bedürfnisorientierte Forderung, die sich der bedrängten Lebenslage einer Vielzahl von Menschen annimmt. Gegen den Konkurrenz- und Leistungsdruck, gegen Armut und Schikanierung, ob im Betrieb, in der Ausbildung oder beim Jobcenter, fordern wir eine radikale Arbeitszeitverkürzung, die auf eine Umverteilung von Arbeit, Zeit und Reichtum zielt und allen die Möglichkeit eines erfüllteren Lebens gibt – mit Zeit für Freunde, Familie, Kultur und demokratische Teilhabe.
Ohne Aussicht auf eine bessere Zukunft erstarken die Geister der Vergangenheit, ob in rechten Parteien oder reaktionären Bewegungen.

…und ein Symbol für das gute Leben
Als Symbol gibt die 4-Stunden-Forderung Anstoß, darüber nachzudenken, wie wir leben möchten und was uns davon abhält. Sie löst sich damit zugleich von der Fixierung auf Lohnarbeit, die uns in den Dienst des Privateigentums stellt, zu ständiger Einsatzbereitschaft nötigt und zu Gehorsam verpflichtet. Indem wir uns der Fremdverfügung über unsere Zeit entziehen, öffnet sich Raum für Kreativität und die Entwicklung von Talenten, für die gemeinsame und demokratische Lebensgestaltung oder einfach dafür, die Zeit müßig verstreichen zu lassen.
Damit weist die 4-Stunden-Forderung den Weg in einen wahrhaft menschlichen Zustand, in dem Arbeit nicht mehr als die einzige Möglichkeit gesellschaftlicher Teilhabe erscheint, sondern als Zwangszusammenhang erkannt und verbannt wird zugunsten eines erfüllten und tätigen Lebens.
Als Zusammenschluss von verschiedenen Einzelpersonen und Gruppen – mittlerweile in Kassel, Berlin, Bochum, Essen, Köln, Saarbrücken und Frankfurt am Main – sind wir beständig auf der Suche nach Mitstreiter:innen, um gemeinsam an einer politischen Alternative zum Bestehenden zu arbeiten.

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