Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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USA

Trump mit Plan – Widerstand ohne Ziel
von Stephan Kimmerle, Seattle

Angst, Erschöpfung und Wut sind weit verbreitet. Widerstand baut sich trotzdem nur langsam auf.

Am 5. April beteiligten sich rund drei Millionen Menschen an 1400 Kundgebungen in allen 50 Staaten der USA gegen Präsident Donald Trump und seinen Gehilfen Elon Musk.

Der Tesla-Boss lenkt die »Behörde für Regierungseffizienz« (DOGE), die für Massenentlassungen im öffentlichen Dienst, die Schließung des Amts für internationale Entwicklungshilfe (USAID) und die Androhung von Milliardenkürzungen im öffentlichen Dienst, bei der Sozialversicherung und der Gesundheitsversorgung verantwortlich ist.
»Hands Off«, war daher das Motto der Proteste, bei denen hunderttausend allein in der Hauptstadt Washington zur ersten Massenmobilisierung in Trumps zweiter Amtszeit auf die Straße gingen. Auf vielen selbstgemachten Schildern wurde gefordert, es dürfe in den USA keine Könige geben, die Verfassung müsse eingehalten und das von Musk angerichtete Chaos beendet werden.
Die Proteste wurden von Indivisible und anderen, der Demokratischen Partei nahestehenden Organisationen getragen. Deren Klientel – eher ältere, liberale Wähler:innen – prägten das Bild. Die Angst und Wut der People of Color wurde bei den Protesten wenig sichtbar. Die Stimmung war sehr staatstragend. 

Das Tempo der Angriffe zehrt
Bislang bleibt der Widerstand gegen Trump 2.0 damit überschaubar. 
Dabei agiert Trump im Vergleich zu seiner ersten Amtszeit nicht weniger grobschlächtig, aber erstaunlich effektiv. Mit dem »Project 2025« kam er vorbereitet ins Amt – samt Programm und Personal. Der Widerstand des »deep state«, der staatlichen Bürokratie, der seine erste Amtszeit geprägt hatte, sollte um jeden Preis gebrochen werden. Die Regierung geht rabiat vor, mit willkürlichen Verhaftungen und Abschiebungen von Migrant:innen, der Einschüchterung von Kritiker:innen, Massenentlassungen und der Schwächung von Gewerkschaftsrechten. 
Gegenwehr wird durch das Tempo der Angriffe und die Flut der Verkündung von reaktionären Fieberphantasien aus dem Weißen Haus erschwert – vom Vorschlag der US-Besatzung und ethnischen Säuberung Gazas zur möglichen militärischen Intervention in Panama und Grönland. 
Immerzu neue Drohungen, schwelende Unsicherheit, ständig andere Themen – es zehrt.

Bürgerlicher Widerstand
Damit sind auch nicht alle Fraktionen des US-Kapitals glücklich. Der ökonomische Nationalismus brachte die US-Wirtschaft bereits an den Rand einer Rezession. Stabile Bedingungen zur Kapitalakkumulation sehen anders aus.
Trumps Vorgehen droht den US-Imperialismus als globalem Hegemon zu schwächen. »In nur 50 Tagen hat Präsident Trump mehr getan als jeder seiner modernen Vorgänger, um die Grundlagen des internationalen Systems auszuhöhlen, das die Vereinigten Staaten in den 80 Jahren seit ihrem Sieg im Zweiten Weltkrieg mühsam aufgebaut haben«, kommentiert David E. Sanger in der New York Times. Der Politikwissenschaftler Joseph S. Nye Jr. beschreibt Trumps Herangehensweise so: »Er ist so besessen vom Problem der Trittbrettfahrer, dass er vergisst, dass es im Interesse Amerikas war, den Bus zu steuern.«
Selbst im Rupert-Murdoch-eigenen Wall Street Journal wird man nervös und fürchtet, dass »die Unsicherheit wächst, was sich auf private Investitionen auswirken wird«. Die Redaktion kommentiert: »Trumps Zoll-Offensive ist der größte Angriff auf das Welthandelssystem seit dem Ende von Bretton Woods«, und verlangt, diese »Zoll-Kampagne zu beenden«.
Doch die bürgerlichen Kritiker:innen von Trump haben nichts anzubieten, was an die Stelle von moribundem Neoliberalismus und Trumps autoritärem Nationalismus treten könnte, um ihr System zu sanieren.

Widerstand des Systems
Der effektivste Widerstand gegen den US-Präsidenten ging bislang von den Börsen aus. Als Anfang April die führenden Aktienindexe abschmierten, gingen selbst ihm hörige republikanische Abgeordnete auf Distanz. Die anonymen Kräfte des Kapitalismus waren zu stark. Die meisten neuen Zölle wurden zumindest vorübergehend ausgesetzt.
Renommierte Großkanzleien versuchten zunächst, durch Zugeständnisse den Vergeltungen Trumps – dem Bann öffentlicher Aufträge – zu entgehen. Mittlerweile verlangen aber mehr als 500 solcher Anwaltsunternehmen öffentlich ein Ende der Einschüchterungen und Rechtsstaatlichkeit.
Nachdem einige Universitäten versucht haben, der Administration entgegenzukommen und zu kuschen, setzt Harvard nun ein anderes Zeichen. Die Elite-Universität weigerte sich, ihre Aufnahmekriterien oder den Umgang mit protestierenden Studierenden den Wünschen der »Make America Great Again«- oder MAGA-Bewegung  anzupassen. Nun kommt es zum Showdown im Kampf um staatliche Mittel.
Zu einer ersten Machtprobe zwischen Gerichten und dem US-Präsidenten wird gerade die einstimmige Entscheidung des Supreme Court, wonach die Bundesregierung Kilmar Ábrego García aus einem Foltergefängnis in El Salvador zurück in die USA bringen solle. García wurde – irrtümlich und fälschlicherweise – als angebliches Mitglied einer Gang ohne Verfahren abgeschoben und inhaftiert. Trump spielt bisher damit, diesen Gerichtsentscheid zu ignorieren.

Gegenwehr von unten?
Als Trump per Dekret das Tarifrecht für Beschäftigte in zahlreichen Behörden abschaffte, erklärte die Präsidentin des Gewerkschaftsdachverbands AFL-CIO, Liz Shuler: »Wir werden diesen empörenden Angriff auf unsere Mitglieder mit jeder Faser unseres kollektiven Seins bekämpfen.« Real ist seither nichts passiert. 
Die zuständige Gewerkschaft, American Federation of Governmental Employees (AFGE), hat 820.000 Mitglieder. Laut der Nachrichtenagentur Reuters vom 17.April wurden über 260.000 der rund 2,3 Millionen Bundesbeschäftigten entlassen, vorzeitig in den Ruhestand geschickt, zur Kündigung vorgemerkt oder haben Abfindungsangebote angenommen. Die AFGE rief dagegen die Gerichte an. Das war’s.
Migrantenorganisationen bereiten den 1.Mai vor. Traditionell machen sie an diesem Tag in den USA mit Demos auf ihre Forderungen aufmerksam. Sie sind aber aktuell vor allem mit aufreibenden Einzelfallhilfen beschäftigt, müssen sich um Abschiebehäftlinge kümmern und andere staatliche Willkür bewältigen.  
Seit den Protesten gegen den Krieg in Gaza ist die sozialistische Linke gesellschaftlich kaum in Erscheinung getreten. Die Mitgliederzahlen der Democratic Socialists of America (DSA), der mit rund 75.000 Mitgliedern größten sozialistischen Organisation der letzten 50 Jahre, gehen zwar wieder nach oben, seit Trump gewählt wurde. Doch in Aktionen hat sich das bisher wenig ausgedrückt. 
Die Linke im weiteren Sinn – rund um Figuren wie Alexandria Ocasio-Cortez – zeigte im Wahlkampf 2024 wenig eigenes Profil und übernahm oft die Erzählung der Demokraten, Trump sei ein Faschist, was dann Diskussionen über Bidens enttäuschende Bilanz faktisch beendete. Doch die Unzufriedenheit mit den Demokraten hält an: Im März 2025 sank ihre Zustimmung laut CNN auf historische 29 Prozent – ein Minus von 20 Punkten seit Januar 2021.
Andererseits setzte die radikale Linke Biden und die Demokratische Partei oft einfach mit Trumps MAGA-Bewegung gleich. Beide stünden für kapitalistische und imperialistische Politik – siehe Gazakrieg. Daher habe man nichts zu gewinnen oder zu verlieren bei der Präsidentschaftswahl. Das führte schon im Wahljahr zur Selbstisolation. Nun hallt das noch übler nach.

Widerstand, aber wofür?
Ohne positive Vision, wofür denn Gegenwehr geleistet werden könnte, ist die Lage eher düster. 
Da bietet Bernie Sanders einen Lichtblick. Der Senator aus Vermont zieht gerade mit einer »Fighting Oligarchy Tour« durchs Land. Die Tournee »gegen den Einfluss von Milliardären und Konzernen« startete am 21. Februar in Omaha. Es folgten Stationen in Las Vegas mit 34.000 Teilnehmer:innen, in Los Angeles waren es 36.000 und auch in eher ländlichen und Trump-dominierten Staaten kamen Tausende.
Sanders schrieb daraufhin in einer E-Mail an seine Unterstützer:innen hoffnungsfroh, »es könnte durchaus sein, dass dieses Land am Rande einer längst überfälligen politischen Revolution steht«. Zusammen mit Ocasio-Cortez und Musiker:innen wie Joan Baez wirbt er für eine kostenlose Gesundheitsversorgung sowie eine Reichensteuer. Der 83jährige schafft es, den Unmut auch unter Jugendlichen sichtbar zu machen. 
Es hilft Sanders, dass seine Kritik an Trumps Zöllen als »unmittelbar schädlich für arbeitende Menschen« nicht mit dem Stallgeruch des Neoliberalismus daher kommt. Er hat über Jahrzehnte NAFTA, das nordamerikanische Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko, bekämpft. 
Schwerer tut sich da Shawn Fain. Er war als Reformer 2023 zum Präsidenten der Automobilarbeitergewerkschaft UAW gewählt worden und führte bald darauf die Streiks gegen die großen drei Autokonzerne in den USA an. Nun erscheint er öffentlich als einer der wenigen Befürworter von Trumps Zollpolitik. 
In einem Livestream der UAW am 10. April versuchte Fain, das gerade zu biegen. Er erklärte, es gehe ihm weder darum, »waghalsige, willkürliche Zölle« noch »einfach den Status quo zu unterstützen«. »Wir müssen dieses Freihandelsdesaster beenden, und es ist uns egal, ob es ein Demokrat oder ein Republikaner ist, der das macht«, so Fain. Das lässt natürlich komplett offen, was danach kommt. Fain gelingt es damit nicht, eine Alternative zu Neoliberalismus und rechtspopulistischem Nationalismus zu formulieren.  
Damit ist er nicht allein in Gewerkschaften und sozialen Bewegungen. Das macht es nicht leichter, eine Gegenbewegung zu Trump auf den Weg zu bringen.

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