Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 05/2018

Hoffnung trotz Trump
von Marcel Thiel

Die USA gelten nicht gerade als Epizentrum der Gewerkschaftsbewegung. 6,5 Prozent der Beschäftigten in der Privatwirtschaft und gerade noch 34,4 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind Gewerkschaftsmitglieder.

Donald Trump und seine Republikaner stehen für einen strammen antigewerkschaftlichen Kurs. Demgegenüber vermittelte die diesjährige Labor-Notes-Konferenz regelrechte Aufbruchstimmung. Vom 6. bis 8.April fanden rund 3000 Gewerkschaftsaktive, Organizerinnen und politische Aktivisten aus 24 Ländern den Weg nach Chicago, um Erfahrungen zum Aufbau gewerkschaftlicher Gegenmacht auszutauschen. 2018 war nicht nur die größte Konferenz in der Geschichte des Projektes, sie war zugleich die jüngste und inhaltlich vielfältigste.

Trumps reaktionäre Ausfälle provozieren Widerstand – bspw. in Form der «Black Lives Matter»-Bewegung, der Kritik an sexuellen Belästigungen oder der Poor People’s Campaign. Bernie Sanders’ Präsidentschaftskampagne machte sozialistische Positionen in den USA wieder hoffähig und inspirierte viele junge Amerikaner.

Diese Entwicklungen prägten auch die Labor-Notes-Konferenz. Auf ihr fand all das zusammen, vereint als vitales Mosaik der amerikanischen Arbeiterbewegung. In über 150 Workshops und diversen Podiumsdiskussionen tauschten sich die Teilnehmende bspw. über gewerkschaftliche Kämpfe für mehr Personal in Krankenhäusern aus und lernten von erfolgreichen Kämpfen wie den wilden Massenstreiks der Lehrerinnen und Lehrer aus West Virginia. Es wurden konkrete Methoden gegen Union Busting und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vermittelt oder sich auf Branchentreffen und in persönlichen Gesprächen vernetzt.

Das Programm reichte von praktischen Grundlagen auf der Basis des Handbuchs «Geheimnisse einer erfolgreichen Organizerin» über Wege, wie man als Gewerkschafter die Demokratisierung der eigenen Gewerkschaft voranbringen kann, bis hin zur Diskussion über die Frage, was Sozialismus ist. Labor-Notes-Aktivist Mark Brenner ist sich sicher, dass es nicht zuletzt diese Mischung aus praktischen Details and «the big picture» ist, die die Labor Notes-Konferenz so einzigartig wie beliebt macht.


Ende der Closed Shops?

Genau das ist nötiger denn je. Viele zog die Sorge über den Ausgang im Fall «Janus vs. Afcsme» auf die Konferenz. Afcsme (American Federation of State, County and Municipal Employees) ist die größte US-Gewerkschaft im öffentlichen Dienst (1,3 Mio. Mitglieder). Mark Janus ist ein Angestellter im öffentlichen Dienst im Bundestaat Illinois, der sich gerichtlich gegen den Zwangsbeitrag an die Gewerkschaft und damit gegen das Closed-Shop-Prinzip zur Wehr setzt. Sollte das Gericht für Mark Janus und gegen Afscme entscheiden, würde die letzte Bastion gewerkschaftlicher Stärke in den USA geschleift. Beschäftigte des öffentlichen Dienstes müssten nicht mehr zwangsweise Beiträge an Gewerkschaften zahlen, auch wenn die Mehrheit in einem Betrieb sich gewerkschaftlich organisiert. Es wäre das Ende des sogenannten Closed-Shop-Prinzips im öffentlichen Dienst.

Wie unter diesen Umständen Menschen für die Gewerkschaftsarbeit begeistert werden und Gegenmacht aufbauen können, war eines der wichtigen Themen der Konferenz. Passend dazu trug sie den Untertitel: «Organizing in open-shop America». Das Motto lieferte Al Russo, Gewerkschafter beim Telekommunikationsgiganten Verizon. Er berichtete, wie es dort mit Hilfe zahlreicher Aktionen gelang, Kürzungs- und Outsourcing-Plänen zu widersprechen und stattdessen u.a. Lohnsteigerungen durchzusetzen. Das war das Ergebnis demokratischer Strukturen und ausdauernder Konfliktbereitschaft bis hin zu massenhaften Streiks und kreativen Aktionen. So wurde die «Offene-Tür-Politik» des Managements mit der Aktion «Call the Boss for everything» konterkariert und der Arbeitsbetrieb verlangsamt. Seine packende Schilderung beendete Al Russo mit Ausruf: «When we fight – we win!» Die mehrere tausend Zuhörenden hielt es nicht auf den Sitzen und der große Ballsaal des Hyatt-Hotels war erfüllt von diesem Schlachtruf: «When we fight – we win!» Das war nicht das einzige Mal in diesen drei Tagen, dass das Publikum aufsprang und lautstark skandierte. Eine Lehrerin aus West Virgina riss das Auditorium mit: «When we don’t get it!? Shut –it – down!»

Diese bewegende Stimmung – auch das macht die Labor-Notes-Konferenz so einzigartig. «Sie bringt die motiviertesten Menschen zusammen», erklärt der Mitorganisator Dan DiMaggio. Damit kreierte Labor Notes auch 2018 wieder einen Raum, in dem die kämpferischen Teile der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung sich gegenseitig verstärken können. Gefragt nach ihrem Konferenz-Highlight, berichtete die Krankenpflegerin Mary aus New York, die Stimmung auf der Konferenz habe ihre Batterien wieder aufgeladen.

Mehr und mehr besuchten auch Funktionäre wie der Organizer Patrick Weisansal von den Communication Workers of America die Konferenz, um sich – wie er sagte – aufzutanken und die eigene Gewerkschaftsarbeit neu zu beleben. Die Konferenz schloss entsprechend emotional: Tausende standen im Ballsaal, an den Händen gefasst und sangen gemeinsam: «Solidarity for­ever, ’cause the union makes us strong!»

Es gibt noch Hoffnung in Zeiten von Trump und Co.

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