von Arno Klönne
«Gott schuf in seinem Zorn die Senne bei Paderborn», sagt ein alter deutscher Landserspruch. Das Terrain ist seit Kaiser Wilhelms Zeiten Truppenübungsplatz.
Trainiert wurde hier für den Ersten und dann für den Zweiten Weltkrieg, seit den 50er Jahren nimmt, neben einem Bundeswehrstandort, die Britische Rheinarmee im Rahmen der NATO den größten Teil des Geländes in Anspruch. Genutzt wurde die Senne auch, um massenhaft Opfer der Kriege zu «lagern»; auf schlimmste Weise 1941 bis 1945 im Stalag («Stammlager» für Kriegsgefangene) Stukenbrock-Senne, wo 65000 Gefangene aus der Sowjetunion zu Tode kamen.
Geübt wird zur Zeit vor allem für den Einsatz in Afghanistan. «Kampfdörfer» mitsamt Moschee wurden zu diesem Zweck gebaut, um den Häuserkampf zu simulieren, Schießbahnen sind eingerichtet, Militärhubschrauber kreisen über der Heidelandschaft.
Seit Ende vergangenen Jahres ist bekannt, dass die britische Regierung den Übungsplatz Senne nur noch zeitweilig nutzen und bis 2020 ihr Militär aus dem Gebiet zurückziehen will; das Empire muss sparen. Eine Chance für die Zivilisierung der Senne?
Nur das nicht, sagt die CDU in der Region und im nordrhein-westfälischen Landtag; die Bundeswehr solle das freiwerdende Terrain übernehmen. Nur so könnten Arbeitsplätze in den umliegenden Gemeinden erhalten werden. Die Militärgeschichte der Senne habe doch stets Wohlstand für die Menschen in Ostwestfalen und Lippe erbracht, außerdem sei so «Natur gerettet» worden.
Eifrigster Verfechter einer weiteren militärischen Nutzung der Senne ist der Europaabgeordnete Elmar Brok, Manager des Bertelsmann-Konzerns, christdemokratischer Multifunktionär und Bezirksvorsitzender der CDU in Ostwestfalen-Lippe. Seine Version: «Die Senne ist eine Kulturlandschaft mit wunderbarer Vielfalt – und hierzu gehört eben auch das Militär.»
So weit mag die nordrhein-westfälische Landesregierung in ihrem Verständnis von Kultur nicht gehen, aber die «Enttabuisierung des Militärischen» (Gerhard Schröder) hat ihre Folgen: Sozialdemokraten und Grüne suchen einen Kompromiss. Sie wollen in der Senne und im Teutoburger Wald einen Nationalpark schaffen, der nahezu einmaligen Naturschönheit wegen, wie von Naturschutzverbänden seit langem gefordert. Der lasse sich nötigenfalls durchaus mit militärischen Übungen vereinbaren. «Doppelnutzung» ist das Lösungswort.
Naherholung, Fremdenverkehr, «sanfter Tourismus» – und das unter dem Donnern der Kanonen? Über die Absurdität einer solchen Idee klärt der «Aktionskreis Freie Senne» auf, in dem sich unabhängig von den Parteien Menschen aus der Friedensbewegung, NaturschützerInnen und Anrainer des Truppenübungsplatzes zusammengefunden haben.
Schon seit Monaten ist es in der Region politisch lebendig geworden: Bürgerversammlungen in den Gemeinden diskutieren über die Zukunft der Senne, der Aktionskreis legt mit vielerlei Demonstrationen offen, wofür in den «Kampfdörfern» geübt wird, und seine Zeitung Unsere Senne räumt mit Legenden auf: Keineswegs hat das Kriegstraining in der Senne «Natur geschont», und die militärische Nutzung hat wirtschaftlichen Schaden erzeugt, weil sie zivile Entwicklungen verhinderte.
«Schutz für die Natur und für die Menschen» war das Motto des Ostermarsches, der in diesem Jahr erstmals in der Senne stattfand. Und «Militär: Zeit zu gehen! Aus Afghanistan, aus der Senne, aus unserem Leben.»
Jetzt läuft eine Unterschriftenaktion, unter dem Motto: «Briten raus. Bundeswehr rein? Nein!», sie braucht UnterzeichnerInnen über die Region hinaus (www.unsere-senne.de).
Weitere Informationen auf www.initiative-gegen-krieg-paderborn.de und www.keinekampfdoerfer.de.
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