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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 03/2016
Gegen das Europa der Austerität und der Grenzen
von Peter Nowak

«Ganz sicher gibt es etwas wie ein ‹Wir› und ‹den Anderen› im heutigen Europa. Dieser Gegensatz besteht aber nicht zwischen Demokratie und Terror, sondern zwischen denen, die ausgebeutet werden, und denen, die ausbeuten, zwischen denen, die sich auf die Suche nach einem besseren Leben machen, und denen, die Grenzen, Zäune und Mauern errichten. Es ist genau dieser ‹Ausnahmezustand›, den wir abschaffen wollen», heißt es selbstbewusst in einem Aufruf zum transnationalen Aktionstag gegen das europäische Grenzregime und prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse, zu dem am 1.März aufgerufen wird.
Dabei ist den Organisatoren der «Transnationalen Plattform Social Strike» klar, dass es am 1.März keinen europaweiten Generalstreik geben wird. Es geht ihnen um einen neuen Streikbegriff, wie er seit Jahren im Umfeld von Organisationen, die sich in Italien und Spanien gegen prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse wehren, entwickelt wurde. Sie sprechen vom «sozialen Streik». Damit sollen auch Lohnabhängige angesprochen werden, die aufgrund ihrer Stellung im Produktionsprozess keine Möglichkeit haben, mit einer Arbeitsniederlegung die Produktion zum Stillstand zu bringen.
Der Aktionstag wurde auf der Konferenz «Dem transnationalen Streik entgegen» im Oktober 2015 im polnischen Poznan beschlossen. In Polen wollen Aktivisten der Basisgewerkschaft IP (Arbeiterinitiative) vor verschiedene Leiharbeitsfirmen ziehen. Aktionen sind auch in Italien, Holland, Spanien, Österreich und Frankreich geplant. Damit ist die Zahl der beteiligten Länder größer als vor sechs Jahren. Zudem sind die Aufrufe kämpferischer. Ging es 2010 noch darum, Lobbyarbeit für migrantische Beschäftigte zu machen, so stehen in diesem Jahr Widerstand und Organisierung im Mittelpunkt.
Zum Berliner Vorbereitungskreis gehört eine Gruppe migrantischer Lohnabhängiger aus Italien, die sich gegen ihre prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse wehren. Sie planen am 1.März zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Spanien und Polen einen Spaziergang durch das Berlin der prekären migrantischen Arbeit. Startpunkt ist um 16.30 Uhr die Mall of Berlin, die zum Symbol von Ausbeutung und prekärer Arbeit, aber auch von Widerstand geworden ist, seit rumänische Bauarbeiter mit juristischen Klagen und politischen Aktionen um den Lohn kämpfen, der ihnen noch immer vorenthalten wird. Im Anschluss soll es nach Berlin-Kreuzberg gehen. Auf dem Weg sollen Jobcenter, eine Leiharbeitsfirma, aber auch die boomende Gastronomiebranche markiert werden. In Frankfurt und Hamburg sind ähnliche Aktionen geplant.
Es muss sich nun zeigen, ob es auch über den 1.März hinaus transnationale Aktionen gibt. Damit könnte an die Debatte über europäische Streiks angeknüpft werden, wie sie im Zuge der Bewegung M31 im Kontext der europäischen Krise 2012 und 2013 geführt wurden. Die schwachen Impulse waren in den letzten Jahren kaum noch wahrzunehmen. Dabei könnten sie Gegenpol zum Europa der Ausgrenzung und Austerität sein.

Weitere Infos auf www.labournet.de.

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