Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 03/2025

Die Kehrseite der weltweiten Kommunikation und Mobilität
dokumentiert

Dass Tag für Tag Unmengen an Elektroschrott anfallen, ist allseits bekannt. Um welche Größenordnung es sich tatsächlich handelt, ist weitgehend unbekannt. Vom Handy bis zur Waschmaschine, vom Elektrokabel bis zum Bildschirm: in nur zwölf Jahren hat sich die Gesamtmenge an Elektroschrott weltweit fast verdoppelt.

Sind Elektrogerätschaften erst einmal unbrauchbar, gibt es verschiedene Wege, die sie durchlaufen. Jede Kommune verfügt mittlerweile über einen Recyclinghof, auf denen Geräte kostenfrei abgegeben werden können. Mit viel Idealismus bieten Freiwillige die kostenlose Reparatur in Repair-Cafés an und bringen mit einfachen Handgriffen die Teile wieder in Schuss statt sie wegzuwerfen. Appelle, noch funktionierende Elektrogeräte zu verschenken, in Kleinanzeigenbörsen anzubieten, Sozialkaufhäusern zu übergeben oder auf Flohmärkten zu verkaufen, sind gut gemeint, tragen aber nur minimal zur Lösung des Problems bei.
Große Mengen werden teils aus Bequemlichkeit, teils aus Unkenntnis auch einfach im Hausmüll oder in der gelben Tonne entsorgt – eine ungesetzliche Handlung, da Elektromüll eine Menge giftiger Substanzen enthält, die Umwelt und Grundwasser kontaminieren. Großgeräte werden häufig nicht sachgerecht entsorgt, weil sie in dubiosen Kanälen von Schrotthändlern verschwinden.
Professionelle Schrottsammler werben immer wieder mit Postwurfsendungen, um Altgeräte abzuholen. Häufig besteht hier die Gefahr, dass keine umweltgerechte Entsorgung stattfindet, sondern die Geräte ins Ausland verbracht werden, wo sie unsachgemäß behandelt werden.
Nur 32 Prozent des Elektroschrotts werden ordnungsgemäß entsorgt. Somit ist Deutschland meilenweit von der EU-weit vorgeschriebenen Sammelquote von 65 Prozent entfernt, und selbst diese Vorgabe ist mehr als nachsichtig.

Die fachgerechte Entsorgung von Elektromüll ist kompliziert, der Kostenaufwand entsprechend hoch und das Ganze finanziell wenig ergiebig.
Elektroschrott kann einen Mix von insgesamt rund tausend verschiedenen Substanzen enthalten. Beispielsweise stecken in einem Handy 60 verschiedene Rohstoffe, allerdings in winzigen Mengen. Maximal fünf verschiedene Metallsorten werden durch Recycling zurückgewonnen. In der Regel werden Smartphones nach 18 Monaten dem Müll übergeben. Es liegt auf der Hand, dass die Aufbereitung mit Ersatzteilen ökologisch deutlich sinnvoller wäre.
Weltweit fallen folgende Mengen an Müll an, gerechnet in Milliarden Kilogramm: 31 Milliarden in Form von Metall, 17 Milliarden in Form von Plastik und 14 Milliarden andere Materialien wie z.B. Glas oder Keramik. Hinter diesen gigantischen Mengen wachsender Schrottberge steht ein immenser Ressourcenverbrauch und eine riesige Energie- und Materialverschwendung. Dieser Müll muss deutlich reduziert und umfassende Reparaturmöglichkeiten angeboten werden.

Was geschieht mit dem Elektroschrott?
Jeder Mensch in Deutschland produziert statistisch pro Jahr durchschnittlich 12,5 Kilogramm Elektroabfall (Stand 2020). Da müsste eigentlich ein vergleichbares Entsorgungssystem wie bei Papier, Glas oder Biomüll vorhanden sein. Dem ist aber nicht so, eine Hausentsorgung gibt es nicht. Große Mengen von verwertbaren Metallen ließen sich recyclen. Platinen z.B. enthalten Gold, Kupfer, Zinn, Blei und seltene Erden. In Handys und Smartphones kommt das wertvolle Rohmaterial Palladium vor.
Zum einen besteht E-Schrott-Material aus wertvollen Materialien, die als Rohstoffe zurückgewonnen werden können, zum anderen aber auch aus hochgradig giftigen Substanzen wie Arsen, Cadmium, Quecksilber, polybromierte Biphenyle und krebserregende Dioxine. Bromierte Flammschutzmittel finden sich in Kunststoffgehäusen von Computern und Fernsehern, das sind giftige Stoffe, die keinesfalls in Böden oder ins Grundwasser gelangen dürfen.
Was passiert aber mit dem Restmüll, wenn die wertvollen Metalle entnommen worden sind? Darüber ist nur wenig bekannt. Teilweise werden sie auf Sondermülldeponien transportiert, der Sonder­müll­verbrennung zugeführt oder in Hochöfen, bspw. bei der Herstellung von Zement, einfach verfeuert. Kunststoffverfeuerung als Ersatzbrennstoff findet aber auch in Stahlwerken, Eisen- und Kupferhütten statt.
In Deutschland gibt es rund 350 zertifizierte Erstbehandlungsbetriebe, die alte Elektrogeräte mechanisch zerkleinern und schadstoffhaltige Bauteile an andere Verwerter weitergeben. Einige westliche Industrienationen wie die USA, europäische Länder und Australien verschiffen ihren Elektroschrott häufig in Schwellen- und Entwicklungsländer. Geschätzt wird, dass 50–80 Prozent des gesamten Elektroschrotts der Industrieländer vor allem nach Asien und Afrika exportiert werden.

Das Elektro- und Elektronikgerätegesetz
Angesichts der Kurzlebigkeit von Elektrogeräten und der stetig wachsenden Schrotthalden sah sich der Gesetzgeber gezwungen, mit dem Elektronikgerätegesetz (ElektroG) gegenzusteuern. Mit diesem Gesetz wurde die europäische WEEE-Richtlinie von 2003 in nationales Recht überführt. Erklärtes Ziel war die Vermeidung von Abfällen. Ein Eingriff in die Herstellung elektronischer Gerätschaften blieb aber unangetastet.
Alle elektronischen Geräte in Deutschland werden in zehn Gerätekategorien eingeteilt, die sich in fünf Sammelkategorien unterteilen lassen. Zur Gruppe 1 zählen die Haushaltsgroßgeräte, zur Gruppe 2 Kühlgeräte, zur Gruppe 3 Geräte der Kommunikations- und Informationstechnik. Mit der Neufassung des ElektroG ist der Händler zur kostenlosen Mitnahme und einer fachgerechten Entsorgung des Elektroschrotts verpflichtet. Seit dem ersten Juli 2022 können auch in Lebensmittelgeschäften und Discountern alte Geräte abgegeben werden, wenn diese Elektroartikel verkaufen. Bei Großgeräten wie z.B. Waschmaschinen allerdings nur, wenn im Gegenzug der Kunde ein gleichwertiges Produkt kauft. Per Kaufvertrag ist der Händler verpflichtet, das Altgerät kostenfrei abzuholen. Die Rücknahmepflicht gilt für den stationären Handel, aber auch für den Versand- und Onlinehandel. Es ist unerheblich, wo das Gerät ursprünglich gekauft wurde. Auch ein Kassenbon oder Kaufbeleg ist hierfür nicht nötig, die Rücknahme ist verpflichtend.

Produktion, Entsorgung und das System
Der Kern des Problems liegt jedoch weniger in der Optimierung des Entsorgungssystems als in der Menge der produzierten Elektrowaren. Wurde in den 90er Jahren ein Computer noch sieben Jahre lang genutzt, sind es aktuell im Durchschnitt lediglich nur noch zwei Jahre bis zur Ausmusterung. Bei einer immer schneller werdenden Herstellungsdynamik ist eine möglichst langlebige Verwendung nicht das Ziel. Die Menge des Produzierten legt aber die Größenordnung des Schrottproblems fest. Der notwendige klimagerechte Umbau der Wirtschaft entsteht deshalb erst, wenn der Großteil des Elektroschrotts erst gar nicht produziert wird.
Ohne die Umstellung und Transformation der industriellen Produktion wird die Bewältigung des Mülls die Quadratur des Kreises bleiben. Die Verfügungs- und Entscheidungsgewalt privater Kapitalbesitzer muss dafür in gesellschaftliche Hand überführt werden, erst diese ermöglicht die direkte Einflussnahme und eine nachhaltige Regulierung.
War früher die Hauptursache für Verschrottung ein technischer Defekt des Geräts, sind heute maßgeblich andere Gründe für die Verschrottung verantwortlich. Die Unbrauchbarkeit von Geräten ist oft bewusst implantiert und beabsichtigt. Vorzeitiges Altern oder der Ausfall von Geräten durch eingebaute Maßnahmen der Hersteller führen dazu, dass eine Instandsetzung nicht mehr wirtschaftlich ist. Nicht umsonst werden viele technische Geräte nach Ablauf der Garantie defekt.
Verschleißteile, die regelmäßig ausgetauscht werden müssen (Toner, Akkus), sind nach einer gewissen Zeit nicht mehr verfügbar, sodass funktionierende Geräte verschrottet werden müssen. Preise fu?r Ersatzteile werden deutlich überho?ht angeboten und stehen in keinem Verhältnis zum Neu- oder Gebrauchswert des Elektrogeräts, um den Kunden zum Neukauf zu verleiten.
Reparaturkosten defekter Geräte werden deutlich überteuert angeboten. ältere Hardware von Mobiltelefonen bspw. ist mit neueren Betriebssystemversionen nicht mehr kompatibel. Dadurch entstehen auch Sicherheitsprobleme, die nicht beseitigt werden können. Neuere Betriebssysteme bei Computern und Laptops benötigen eine intensivere Leistung, die von der Hardware des bislang genutzten Geräts nicht mehr erbracht werden kann.
Das System der permanenten Geldvermehrung braucht die Zerstörung materieller Güter, um wachsen zu können. Immer weiter, immer schneller, immer mehr. Das Karussell von Kauf und Verschrottung dreht sich immer rasanter – es ist die Maxime eines Wirtschaftssystems, das keine Grenzen und keine gesellschaftlichen Werte akzeptiert, sondern nur Preise.
Volker Brauch

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